Werbung
- Anzeige -

Tony Blair im Vollwaschgang

Großbritanniens Ex-Premier versucht, sich den Erfolg seiner Memoiren zu erkaufen

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Was immer man kritisch zum britischen Ex-Premier Tony Blair (57) vorbringen muss – ein engagierter Verkäufer seiner selbst ist er stets gewesen. Am 1. September sollen seine Memoiren erscheinen.

Der Regierungschef der Labour Party von 1997 bis 2007 und heutige Nahost-Sondergesandte von UNO, EU, Russland und den USA, der vor drei Jahren seinen Platz in Downing Street 10 räumen musste und weiter für seine Rolle im manipulierten Irak-Krieg kritisiert wird, will am 1. September seine Memoiren veröffentlichen. Die Autobiografie bei Random-House stand wenige Tage vor dem Vorstellungstermin jedoch schlecht im Rennen und drohte zu floppen. In den Bestelllisten von Internet-Buchhändler Amazon dümpelte das Buch mit lediglich einigen Hundert Verkäufen. Gefahr war im Verzuge, zumal das Verlagshaus Blair ein Vorabhonorar in Höhe von 4,6 Millionen Pfund (circa 5,75 Millionen Euro) geboten hat und Random House-Chefin Gail Rebuck, eine Busenfreundin Blairs, ankündigte, mit der Publikation alle Verkaufsrekorde für politische Memoiren brechen zu wollen.

In dieser Situation wartete Blair mit einer Überraschung auf: Er werde alle Einnahmen aus den Erinnerungen, so hieß es aus seiner Umgebung, der Royal British Legion, einer großen Wohltätigkeitsorganisation für aktive und ehemalige britische Militärangehörige, spenden. Die genaue Summe, erklärte Blair-Vertraute Catherine Rimmer, werde von den Verkaufszahlen der Autobiografie abhängen, dürfe sich aber »bei vier bis fünf Millionen Pfund bewegen«. Es wäre nach Angaben der Legion die größte Einzelspende, die sie jemals erhalten hat. Rimmer sagte, ihr Chef wolle das Geld speziell dem jüngsten Projekt der Royal British Legion widmen – einem Reha-Projekt für britische Soldaten, die in den Kriegen in Irak und Afghanistan verwundet wurden.

Die Ankündigung gilt seitdem als Coup des Blair-Lagers, mit dem ein drohender Flop der Memoiren in letzter Minute vermieden und kritische Leser bewogen werden könnten, sich das Buch doch noch zu kaufen – jetzt, da klar sei, dass die Tantiemen nicht in Blairs Taschen flössen. In der Amazon-Bestsellerliste stieg die Autobiografie nach Blairs Ankündigung auf Platz sieben. Der »Daily Telegraph« kommentierte Blairs Schritt mit den Worten, der Ex-Premier habe sich »selbst einen Bestseller gekauft«.

Die breitere britische Öffentlichkeit freilich sieht in der Notbremsen-Aktion einen weiteren typisch Blairsche Akt der Heuchelei, mit dem er seine verhängnisvolle Rolle bei der Inszenierung des Kriegs gegen Irak im Jahr 2003 und seine blinde Gefolgschaft gegenüber USA-Präsident George W. Bush vergessen machen wolle. In den Kriegen in Irak und in Afghanistan, die beide während Blairs Amtszeit begonnen wurden, sind bis heute rund 500 britische Soldaten gefallen.

Auch mit Blick auf den US-amerikanischen Markt hat Blair »den Vollwaschgang« eingelegt, um einen Erfolg für seine Memoiren zu sichern. Nach Angaben des »Sunday Telegraph« werde er mit Frau Cherie und allen vier Kindern zu Verkaufsbeginn am 13. September in den USA erscheinen. Es wäre der erste öffentliche Termin für die ganze Familie seit seinem erzwungenen Abgang als Premier im Juni 2007. Gebucht ist dabei auch ein Familienauftritt in Philadelphia, wo Blair von Ex-Präsident Bill Clinton mit der »Freiheitsmedaille« (Liberty Medal), einer US-amerikanischen Version des Friedensnobelpreises, geehrt wird. Ohnehin setzt Blair besondere Hoffnungen auf die USA, wo seine Popularität – anders als daheim, wo er als Inbegriff des verlogenen Politikers mit Tendenz zum Kriegsverbrecher und mit ausgeprägtem Geschäftssinn gilt – fortbesteht. Laut »Guardian« besitzen die Blairs heute fünf Häuser, darunter das 3,7 Millionen-Pfund-Anwesen am Londoner Connaught Square. Insgesamt, schreibt das Blatt, werde das Vermögen des einstigen »Arbeiterführers« bereits »auf bis zu 60 Millionen Pfund geschätzt«.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -