Sorbischer Kirchenstreit
Katholische Jugend von Ostro wehrt sich gegen Pfarrer-Versetzung
Goro Kimura ist ein guter Kenner des Sorbischen. Der japanische Wissenschaftler, der an einer Universität in Tokio unterrichtet, hat vor acht Jahren eine Doktorarbeit über die Frage geschrieben, wie wichtig die Kirche für den Erhalt der sorbischen Sprache ist. Gestützt auf Studien in sorbischen Dörfern, kam er zu einem für die Kirche sehr ehrenwerten Schluss: Diese und ihre Geistlichen, schrieb Kimura unlängst in einem Brief an den katholischen Dresdner Bischof Joachim Reinelt, seien durchaus als »Kern für den sorbischen Sprachgebrauch« zu bezeichnen.
Der Bischof könnte sich geschmeichelt fühlen, wenn nicht Kimura in dem Brief höflich formulierte Kritik üben würde, und zwar an seiner Personalpolitik. Reinelt hat entschieden, den Pfarrer des sorbischen Dorfes Ostro zu versetzen. Tomas Dawidowski, ein gebürtiger Pole, der seit fünf Jahren in dem Ort die Gottesdienste durchführt und sich um die Seelsorge kümmert, soll ab 1. September im Vogtland arbeiten und die Pfarrstelle im dortigen Reichenbach besetzen.
In der Gemeinde von Ostro und, wie der Brief aus Japan zeigt, auch weit darüber hinaus hat die Entscheidung für erhebliche Unruhe gesorgt. Nach den Gottesdiensten sammelte die katholische Jugend Unterschriften, um die Versetzung ihres Pfarrers zu verhindern; auch eine sehr gut besuchte öffentliche Versammlung fand statt. Selbst den Landtag hat das Thema jetzt erreicht: Heiko Kosel, sorbischer Abgeordneter der Linksfraktion, will per Anfrage von der Staatsregierung wissen, ob die Kirche mit der Versetzung gegen einen Vertrag zwischen Sachsen und dem Vatikan verstößt, in dem auch der Schutz für die sorbische Kultur garantiert wurde.
In Ostro selbst sind es vor allem junge Gemeindemitglieder wie der 25-jährige Marian Wenk, die sich öffentlich für Dawidowski einsetzen. Sie rechnen diesem nicht nur hoch an, dass er Sorbisch gelernt hat, um sich mit seinen Schäfchen besser verständigen zu können; auch seine Jugendarbeit und die Weltoffenheit werden gelobt: Er sei »der passende Pfarrer für Ostro und seine traditionell geprägte Gemeinde«, sagt Wenk. Er ist nicht der Einzige, der so denkt: Eine Petition signierten 233 Ostroer, jeder zweite Katholik im Ort. Insgesamt wurden 702 Unterschriften gesammelt, die in Dresden jedoch nicht vom Bischof entgegengenommen wurden, sondern von seiner Sekretärin. Die von den Jugendlichen praktizierte Form der demokratischen Einmischung sei wohl in der Kirche »noch nicht üblich«, sagt Wenk.
Im Bistum Dresden-Meißen wiederum besteht man auf dem Recht, Personalentscheidungen treffen zu können, »die danach auch akzeptiert werden«, wie Sprecher Michael Baudisch formuliert. Es sei schön, wenn sich eine Gemeinde für ihren Pfarrer einsetzt, allerdings müsse die »Gesamtsituation« berücksichtigt werden. Die ist wenig erbaulich: Es gibt immer weniger Pfarrer, die zudem immer älter werden. In Reichenbach geht das bisherige Gemeindeoberhaupt jetzt mit über 70 Jahren in den Ruhestand; die 1000 Gläubige zählende Gemeinde brauche einen Hirten. Man müsse die »begrenzte Anzahl Priester optimal verteilten«, sagt Baudisch, der betont, es handle sich »keinensfalls um eine Entscheidung gegen die Sorben«. Ostro werde auch künftig »sorbisch seelsorgerisch betreut«.
Allerdings wird der Pfarrer nicht mehr im Ort wohnen, sondern aus dem benachbarten Nebelschütz anreisen – ein Zustand, wie ihn die Ostroer bereits vor seinem Amtsantritt erlebt hätten, sagt Tomas Dawidowski. Zwar sei die Autorität des Bischofs auch in Personalfragen unbestritten. Der Pfarrer betont daher auch, in der Gemeinde gebe es »keine Rebellion«. Enttäuschung aber registriere er bei deren Mitgliedern, die nicht nur Einbußen im religiösen Leben befürchten: Mit seiner Versetzung »verliert das sorbische Volk eine Stimme«.
Diese Feststellung würde vermutlich auch Goro Kimura unterschreiben, der in seiner Doktorarbeit die Frage stellte, ob die sorbische Sprache »überhaupt erhalten werden kann ohne die Kirche«. Der japanische Wissenschaftler weist den Bischof Reinelt in seinem Brief zudem darauf hin, dass die katholische Kirche auch anderswo in der Welt nicht nur Zahlenkriterien berücksichtige, sondern die örtlichen Notwendigkeiten. In der Mongolei, merkt er an, gibt es ungefähr so viele Katholiken wie in Ostro. Und trotzdem hätten sie sogar einen eigenen Bischof.
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