Irlands sinkende Bonität

Der einstige »keltische Tiger« steckt noch knietief in der Finanzkrise

  • Michael Donhauser (dpa), Dublin
  • Lesedauer: 3 Min.
In Irland, so lautet ein Sprichwort, kann man an einem Tag alle vier Jahreszeiten erleben. Was für das Wetter stimmen mag, trifft für die Wirtschaft des einstigen »keltischen Tigers« absolut nicht zu. Das Ökonomie-Thermometer zeigt Dauerfrost.

Hochmut kam vor dem Fall. Als die Iren im Jahr 2008 per Referendum den Lissabon-Vertrag der EU ablehnten, ging es ihnen noch gut. Sie waren der Tigerstaat, der vom einstigen Armenhaus Europas mit deutlichem Agrar-Schwerpunkt zu einem der attraktivsten Standorte für Industrie-Ansiedlungen weltweit gereift war. Konzerne aus Europa und den USA kamen scharenweise und bauten Werke auf der grünen Insel, um von günstigen Immobilienpreisen, niedrigen Löhnen und billigen Steuern zu profitieren. Brüsseler Fördermillionen hatten das Ihre dazu getan.

Schon ein Jahr später schlüpften die Iren beim zweiten Referendum kleinlaut unter das Schutzmäntelchen der EU. Die Banken, allen voran die verstaatlichte Anglo Irish Bank, hatten im tagträumerischen Glauben an das ewige Wachstum so ziemlich jedem Geld gegeben, der nach einem Kredit fragte. Als die Immobilienblase platzte, fielen die Iren noch kräftiger auf die Nase als ihre britischen Nachbarn. Ein Teil der Investoren war schon weitergezogen – dorthin, wo es noch billiger ist.

Die Abwärtsspirale war unaufhaltsam. Die Wirtschaft brach ein: Schon 2008 ging es um drei Prozent nach unten, im Jahr darauf gar um sieben Prozent. Für dieses Jahr erwarten Volkswirte erneut ein Minus. Die Verbraucherpreise fallen, eine Deflation kündigt sich an. Die Defizitquote ist explodiert und soll in diesem Jahr auf 11,6 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, »gedrückt« werden.

Grund sind vor allem milliardenschwere Staatshilfen zur Rettung der Banken. Die irische Regierung musste inzwischen 33 Milliarden Euro in den Bankensektor schießen, heißt es in einem Report von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Das sind 21 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von 2009. 7,4 Milliarden für die Allied Irish Bank sollen folgen.

Die Ratingagenturen Moody's und Standard & Poors haben die Kreditwürdigkeit herabgestuft, da sie glauben, dass die Quote vorläufig noch weiter steigt. Damit ist Irland als Schuldner zwar besser angesehen als Griechenland oder Italien. Will die Regierung in Dublin aber Staatsanleihen platzieren, muss sie mehr als das Doppelte an Zinsen zahlen wie Deutschland.

Die Ratingagenturen nehmen an, dass noch weit über 40 Milliarden Euro Ausfälle durch eine »Bad Bank« hinzukommen, in die faule Kredite ausgelagert wurden. Die Commerzbank-Experten halten dies indes für zu hoch gegriffen. Auch für »Bad-Bank«-Chef John Corrigan liegt die Annahme »am extremen Ende« aller vorstellbaren Szenarien.

Für Ministerpräsident Brian Cowen (Fianna-Fail-Partei), dem schwere finanzpolitische Fehlgriffe nicht vorgeworfen werden, wird die Luft dünner. Der grüne Koalitionspartner und die Gewerkschaften machen Druck. Hohe Steuern, hohe Arbeitslosigkeit und das Sparen an allen Ecken und Enden lassen die Diskussionen in den Pubs hitziger werden. Nicht nur deshalb warnen die Volkswirte: »Zusätzliche Sparmaßnahmen sollte die Regierung jetzt nicht mehr ergreifen.« Sonst würde die Binnennachfrage vollkommen abgewürgt. Und nur auf den Export kann sich Irland längst nicht mehr verlassen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -