Werbung

Aus wenig Geld das Beste machen - Teil 8 - Girokonto als Lebensmittel – nicht jeder bekommt eins von der Bank

Finanzen

  • Lesedauer: 5 Min.
Armut macht den Alltag kompliziert. Wer wenig Geld besitzt, muss ganz genau rechnen. Und wer ganz genau rechnet, will auch für den notwendigen Zahlungsverkehr möglichst wenig bezahlen. Onlinebanking ist oft am günstigsten. Doch Erwerbslose, Alleinerziehende, Verwitwete oder Hartz-IV-Empfänger scheitern in der Praxis oft an Banken, die eine Kontoeröffnung verweigern. Und das nicht nur im Internet. Ob die Bank das darf, ist umstritten.

Ein Leben ohne Internet ist heute für viele kaum mehr denkbar. Etwa 72 Prozent der deutschen Bevölkerung ist online. Auch ältere Menschen surfen immer häufiger, etwa jeder zweite Ü-60 ist heute schon im Netz. Neue Technologien machen die Nutzung komfortabler. Etwa zwei Drittel der Deutschen nutzen 2010 einen Breitbandzugang für ein schnelles Surfen im Internet, schätzt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom).

Wer als Bankkunde haarscharf mit seinen Ausgaben kalkuliert, sollte ins Internet schauen. Wer ganz auf Onlinebanking oder auf eine Direktbank ohne Filialen setzen will, »kontot« im Regelfall billiger. Aber man sollte beim Girokonto im Netz vorher über die Bargeldbeschaffung nachdenken. Der Preisvorteil einer kostenlosen Kontoführung kann schnell verpuffen, wenn bei jeder Abhebung Gebühren fällig werden, wenn lange Fahrten zum Automaten nötig sind oder wenn ständig Porto für Kontoauszüge fällig wird.

Teuer werden oft auch die zusätzlichen Karten. Es gibt keinen überregionalen Anbieter, der ein Gratiskonto inklusive EC- und Kreditkarte sowohl für Filial- als auch Onlinekunden anbietet, so die Stiftung Warentest. Unterm Strich schneiden daher regionale Angebote oft günstiger ab. »Die besten Adressen für Gratiskonten sind regionale Banken«, haben die Warentester in Berlin herausgefunden. Fast jede regionale Sparkasse, Volks- und Raiffeisenkasse und fast jede Bank bietet heute Onlinebanking im Internet.

Doch nicht jeder, der einen Computer und Internetzugang besitzt, kommt in den Genuss eines günstigen Zahlungsverkehrs.

Wer arm ist, muss oft ohne Konto klarkommen
Drei Millionen Haushalte in Deutschland gelten als überschuldet. Doch Schulden, niedriges Einkommen und Girokonto vertragen sich schlecht miteinander, jedenfalls nach den Vorstellungen vieler Kreditinstitute. Viele Menschen müssen daher in der Bundesrepublik ohne dieses finanzielle Lebensmittel klarkommen. Doch zumindest Verbraucherschützer ärgern sich über diese Verweigerungshaltung der Geldwirtschaft und rufen seit langem nach einer gesetzlichen Regelung, wie sie in anderen europäischen Staaten gängige Praxis ist. Bislang blieb ihr Ruf in der Politik weitgehend ungehört.

Anders bei den Banken: Erstmals 1995 hatten private und genossenschaftliche Banken sowie die Sparkassen im gemeinsamen, bundesweiten »Zentralen Kreditausschuss«, kurz ZKA, eine Empfehlung beschlossen, wonach jedem Verbraucher ein Girokonto eröffnet werden soll – wenigstens auf Guthabenbasis. Wer also Geld auf ein Girokonto hat, eben ein Guthaben, darf es auch von dort aus überweisen, verwalten oder abheben. Zuvor war der politische und gesellschaftliche Druck auf die Branche sehr stark geworden. Es drohte zeitweilig sogar eine gesetzliche Pflichtregelung durch die Bundesregierung.

In der Praxis wirkt die nun fünfzehn Jahre alte freiwillige Selbstverpflichtung der Branche allerdings bis heute widersprüchlich. Die Geldwirtschaft sieht sich auf einem guten Weg – doch nach den Erfahrungen von Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen ist ein störungsfreier Zugang zu einem Girokonto noch immer nicht zufriedenstellend gewährleistet.

Im Alltag offenbarte sich jedoch ein Schlupfloch, durch das viele Arme rutschen, oft ohne eigenes Zutun. Die Kreditinstitute sind nach ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung nicht gezwungen, ein Girokonto für einen Antragsteller zu führen, wenn dies »unzumutbar« ist.

Bei »Unzumutbarkeit« darf die Bank sogar ein bereits bestehendes Konto kündigen. Unzumutbar ist ein Kunde, der beispielsweise falsche Angaben macht oder Beschäftigte grob belästigt. Letzteres mag man für angemessen halten, ersteres kann jedoch einem schlichten menschlichen Irrtum entspringen.

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) hält außerdem viele der von Banken genannten Ablehnungsgründe für nur vorgeschoben. Das Fazit der Experten: »Noch immer ist es keine Selbstverständlichkeit für ver- und überschuldete Verbraucher ein Girokonto zumindest auf Guthabenkonto zu erhalten.«

Im Notfall kann ein Ombudsmann helfen – kostenlos
Einen Ausweg bieten die Sparkassen. In den meisten Bundesländern sind sie durch Landesrecht ausdrücklich verpflichtet, für »natürliche Personen«, also nicht für Firmen und Vereine, in ihrem Geschäftsgebiet Guthabenkonten zu führen. Diese Regelungen, so der Dachverband, sind Ausdruck des öffentlichen Auftrages der Sparkassen, die Bevölkerung vor Ort mit Finanzdienstleistungen zu versorgen.

Aber auch Sparkassen lehnen Kunden ab. Doch ob nun Sparkasse, private Bank oder eine Volks- oder Raiffeisenkasse, gänzlich rechtlos sind Verbraucher der Willkür von Kreditinstituten nicht ausgeliefert. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten über ein Konto für jedermann, kann man sich kostenlos an einen Ombudsmann oder eine -frau wenden. Das gilt auch für andere Probleme mit der Bank.

Weitere Infos und eine Übersicht über die Schlichtungsstellen der Sparkassen, Genossenschaftsbanken und privaten Kreditinstitute können auf der Internetseite des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) aufgerufen werden (www.zka.de).

Hier die wichtigsten Adressen der Kundenbeschwerdestellen deutscher Kreditinstitute:

Für die privaten Banken:

Bundesverband deutscher Banken e. V., Kundenbeschwerdestelle,
Burgstraße 28, 10178 Berlin, Tel.: 030/16 63 - 3166,

www.bankenombudsmann.de.

Für die Volks- und Raiffeisenbanken:
Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken - BVR,
Postfach 30 92 63, 10760 Berlin, Tel.: 030/20 21-1631, -1632, www.bvr.de.

Für die Sparkassen:
Deutscher Sparkassen- und Giroverband,
Charlottenstraße 47,
10117 Berlin, Tel.: 030/20 225- 5354,
www.dsgv.de.

Für die öffentlichen Banken:
Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).,
Kundenbeschwerdestelle, Postfach 11 02 72, 10832 Berlin
www.voeb.de.

HERMANNUS PFEIFFER

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -