Das Geschwätz der Götter
Das Rambazamba-Theater feiert sein 20. Jubiläum mit »Der Frieden« nach Aristophanes
Die Regisseurin Gisela Höhne leitet seit zwei Jahrzehnten das Rambazamba-Theater und beobachtet eine immergleiche Reaktion beim Publikum: Wer zum ersten Mal ein Stück sehe, sei berührt – »weil niemand den Akteuren mit Behinderung eine solche Leistung zutraut.« Nach einigen Minuten hätten die Zuschauer aber vergessen, dass die meisten Schauspieler geistig behindert seien, meint Höhne.
Zusammen mit dem Regisseur Klaus Erforth arbeitet sie bereits seit 1987 mit behinderten Kindern. Anfangs machten sie Zirkus, dann gründeten sie das Rambazamba-Theater. Zum heutigen 20-jährigen Jubiläum gibt es ein Spektakel – beginnend mit einem Umzug: Das Kalibani-Ensemble von Erforth zieht nachmittags um vier von der Volksbühne zur Kulturbrauerei und spielt gemeinsam mit dem Cirkus Sonnenstich die Straßenperformance »Der Mensch ist der größte Feind der Ratten«. Im Hof der Kulturbrauerei folgt dann die Aufführung von »Der Frieden« nach Aristophanes. Die Komödie ist eine Gemeinschaftsinszenierung von Rambazamba, dem polnischen Straßentheater Teatr Ósmego Dnia und dem israelischen Theaterprojekt Kenafayim.
Zur Premiere schlängelt sich eine Prozession zum Weltfriedenstag durchs Publikum, während die Musik immer bedrohlicher wird und bereits einen blutigen Verlauf ankündigt. »Es ist Krieg! Es ist Krieg! Es ist Krieg!« – ruft ein Chor mit mehr als einem Dutzend Stimmen. Die Friedensgöttin Eirene ist tief unter einem Schuttberg begraben.
Geschickt webt Höhne Elemente aus der Gegenwart in den antiken Stoff. »In der Vorlage von Aristophanes sind die Götter abwesend. Bei uns stellen sie eine geschlossene Versammlung der UNO dar.« Einzig der korrupte Götterbote Hermes gibt sich der Hauptfigur Trygaios zu erkennen: Der Bote thront auf Metalltürmen und verweigert ihm den Zutritt zur palavernden Götterrunde: »Sie reden, um zu reden – reden, reden«, sagt Hermes, gespielt von Sebastian Urbanski. Der 32-Jährige ist zurzeit auch im Kino zu hören. Er verleiht dem spanischen Hauptdarsteller in dem Film »Me Too«, der die Geschichte eines Mannes mit Downsyndrom erzählt, seine Stimme.
Die Versammlung der Götter spielt die israelische Künstlergruppe Kenafayim. Ihre Choreografie mit übergroßen Händen an langen Stangen symbolisiert die großen Gebärden und das fehlendes Handeln der Weltversammlung. Für Gisela Höhne ist es eine Herausforderung, drei Ensembles zusammenzuführen, zumal Straßentheater anders funktioniere als die Aufführungen in einem Kammersaal: »Die Gesten müssen stärker sein, sonst gehen sie unter.« Mehr als 60 Stücke hat Rambazamba bislang auf die Bühne gebracht. Wochenende für Wochenende finden Aufführungen statt. Die Inszenierung von »Der Frieden« soll ein Höhepunkt werden.
Mit der Kulturbrauerei ist das Rambazamba-Theater eng verbunden: Zur Wendezeit suchten Höhne und Erforth eine Bleibe für ihr soeben aus der Taufe gehobenes Projekt und verhandelten mit den Besetzern der alten Schultheiss-Brauerei. Platz gab es auf dem heruntergekommenen Gelände genug. Acht Jahre später renovierte die Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG) als Eigentümerin das Industrieensemble und anschließend zogen die ersten kommerziellen Mieter ein: Das Kesselhaus, der Soda-Club, Frannz Club sowie ein Kino. Das Rambazamba-Theater konnte bleiben, weil es vom Kulturfonds gefördert wird.
Für Berlin ist das Projekt zu einem Aushängeschild geworden. Mit dem daraus entstehenden Erwartungsdruck kann Gisela Höhne umgehen. »Einen hohen Anspruch haben wir an uns selbst.« Höhne will keine Abstriche in der Qualität machen, nur weil Behinderte mitspielen. Sie machten Theater und keine Therapie. In jedem Stück, das sie als Ensemble in wochenlanger akribischer Arbeit auf die Bühne bringen, demonstrieren die Akteure spielerisch, dass sie weitaus mehr sind als Pflegefälle.
1., 2., 3.9., 20.30 Uhr, Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36
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