Fremdenfeindliches Frankreich?

Heute wird gegen die rassistische Politik Sarkozys demonstriert

  • Lesedauer: 3 Min.
Jean Pierre Dubois ist Präsident der Organisation Ligue des droits de l'homme (Liga der Menschenrechte).
Jean Pierre Dubois ist Präsident der Organisation Ligue des droits de l'homme (Liga der Menschenrechte).

ND: Seit Jahren werden Roma und Immigranten ohne Papiere in ihre Heimatländer abgeschoben – das ist nichts Neues: Warum demonstrieren Sie gerade jetzt in ganz Frankreich?
Dubois: Die Situation hat sich enorm verschärft. Die Jagd auf Einwanderer ohne gültige Papiere und die Diskriminierung der Roma sind natürlich nicht neu. Seit zehn Jahren werden die Rechte der Roma nicht umgesetzt – obwohl sie gesetzlich festgeschrieben sind. Doch auch wenn die Rechte dieser Minderheiten seit langem mit Füßen getreten werden: Die neuesten Ankündigungen von Präsident Nicolas Sarkozy, die Einwanderungspolitik zu verschärfen, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Es ist das erste Mal, dass ein französischer Präsident derart harte Maßnahmen gegen Immigranten ankündigt und offensichtlich im rechten Lager fischt. Kein Wunder, dass sich die UNO, die EU-Kommission sowie Menschenrechtsorganisationen aus ganz Europa gegen diese Politik wenden.

Wie gefährlich ist der Populismus Sarkozys?
Wir sind beunruhigt, denn das gesellschaftliche Klima hat sich sehr verschlechtert. Sarkozy spielt mit dem Feuer. Er sucht nach etwas, das er politisch ausschlachten kann. Deshalb werden die nächsten Monate sehr schwierig. Es ist beispielsweise mit einer Gewaltexplosion in den Vorstädten zu rechnen. Die sind in einem sehr schlechten Zustand. Das Problem ist zudem: Frankreich ist nicht wirklich eine Demokratie. Die demokratischen Ausgleichsmechanismen greifen in unserem präsidentiellen Regime nicht. Unser System ist derart monarchistisch, dass wir Fehlentwicklungen weder durch föderale Mechanismen noch durch das Parlament ausgleichen können. Die politische Spitze ist derzeit in einem fremdenfeindlichem Rausch, es gibt kaum demokratische Mechanismen, um sie zu stoppen. Das ist die Gefahr.

Haben sich Rassismus und Fremdenhass in den letzten Jahren verschärft?
Unser Präsident hat gesagt, dass Franzosen ausländischer Herkunft anders behandelt werden als »richtige Franzosen«. Er hat in Grenoble gedroht, diesen Franzosen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn sie kriminell werden. Ein Viertel der Franzosen hat ausländische Wurzeln. Die Debatte trifft nicht mehr nur die Roma oder französische Roma. Inzwischen werden alle Register gezogen: gegen Roma, Ausländer, Franzosen mit ausländischen Wurzeln, die illegalen Einwanderer und eingebürgerte Menschen – das nimmt unglaubliche Dimensionen an.

Kann eine sozialistische Regierung diese Politik stoppen?
Das hoffe ich stark. Der wiedererwachte Widerstand gegen die Rechte ist sehr groß und umfassend: Alle Gewerkschaften, die parlamentarische Opposition und diverse Nichtregierungsorganisationen haben zu der Demonstration aufgerufen. Ich glaube auch, dass dieser Widerstand schon ein Vorbote der Präsidentschaftswahlen 2012 ist. Die PS-Vorsitzende Martine Aubry war eine der ersten, die unseren Aufruf zur Demonstration unterzeichnet hat.

Was fordern Sie?
Wir müssen jegliche Diskriminierung von Minderheiten sofort beenden. Eine Konsequenz wäre, das fahrende Volk nicht weiter in seinem Lebensstil zu behindern. Das heißt vor allem, sie nicht anders zu behandeln als andere französische Staatsbürger. Meist geht es darum, bestehendes Recht wirklich umzusetzen. Zudem fordern wir, die Jagd auf Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung zu beenden und ihnen sofort einen legalen Aufenthaltsstatus einzuräumen.

Interview: Susanne Götze

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