Gefahrenzone Schanzenviertel
Hamburger Volksfeste weitgehend friedlich / Polizei mit 2500 Mann vor Ort / 40 vorläufige Festnahmen
Angespannte Stimmung herrschte bereits vor dem Schanzenfest. Die Polizei hatte präventiv gegen 20 Personen, die in den Vorjahren wegen Beteiligung an Krawallen verurteilt worden waren, Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Das Schanzenviertel wurde von Samstag 18 Uhr bis Sonntag 8 Uhr zum Gefahrengebiet erklärt, in dem die Polizei ohne Tatverdacht Personenkontrollen durchführen und Platzverweise aussprechen konnte. Und Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, ließ nach diversen Brandanschlägen auf Autos in den vergangenen Tagen seinen apokalyptischen Fantasien freien Lauf: »Es könnte zu den schwersten Krawallen kommen, die wir jemals bei diesem Fest hatten.«
Die »Schanzenfestvorbereitung 2010« warf der Innenbehörde daraufhin vor, »die Situation dramatisch eskaliert« zu haben und weigerte sich, die Aufenthaltsverbote und andere »repressive Maßnahmen« zu akzeptieren. Dennoch blieb zunächst alles ruhig: Knapp 10 000 Menschen zelebrierten im strahlenden Sonnenschein bei Kaffee und Kuchen, Bier und vegetarischem Döner das von den Behörden geduldete Stadtteilfest.
Gute Laune auch im Stadtteil Eimsbüttel bei den Initiatoren des Methfesselfestes. Unter dem Motto »Mit Vergnügen Position beziehen« feierten sie zusammen mit einigen tausend Hamburgern ihr 15-jähriges Jubiläum. Die Geschichte des Straßenfestes begann aber schon 1977, als die DKP es erstmals organisierte. Seit 1995 zeichnen sich Anwohner und Mitglieder dortiger Initiativen verantwortlich.
Neben Podiumsdiskussionen, Informationsveranstaltungen zu Themenschwerpunkten wie Friedens- und Migrationspolitik, Ständen von linken Parteien, Organisationen und Stadtteilgruppen bietet das internationalistisch ausgerichtete Fest auch ein reichhaltiges Kulturprogramm: Von politischer Satire und Kabarett über Jazz- und Rock-Konzerten, Salsa- und Breakdance-Darbietungen bis zum Kinderpuppentheater.
»Unsere Bilanz nach 15 Jahren ist sehr positiv«, sagt Mitveranstalter Klaus. »Für die Zukunft wünschen wir uns, dass sich mehr junge Leute mit neuen Ideen an der jährlichen Planung und Vorbereitung beteiligen.« Alexis Schnock, der seit fünf Jahren dabei ist, gehört mit einem Alter von 29 Jahren zu der unterrepräsentierten Generation. »Ich finde vor allem den nichtkommerziellen Charakter des Fests toll«, begründet er sein Engagement. »Die Atmosphäre ist immer sehr herzlich und familiär.«
Davon konnte am Abend auf dem Schanzenfest nicht die Rede sein. Kurz nach 22 Uhr kam der erwartete Auftakt zum jährlichen Ritual: Auf den umliegenden Straßen wurden die ersten Feuer gelegt, Bauzäune zerstört und Barrikaden gebaut. Eine Bankfiliale, zwei Supermärkte und ein Modehaus wurden entglast. Gegen 22.30 Uhr warfen Vermummte am Neuen Pferdemarkt Kanonenschläge, Flaschen und Steine in Richtung Polizei. Die Ordnungshüter konterten mit Wasserwerfern und Schlagstockeinsatz und trieben die Masse auseinander. Diverse Menschen, darunter auch elf Polizisten, erlitten Platzwunden und Schnittverletzungen. Es kam zu mehr als 40 vorläufigen Festnahmen. Einige davon am S-Bahnhof Sternschanze, wo einige Personen den dortigen Schienenverkehr zum Erliegen gebracht hatten.
Die Polizei, die eine Streitmacht von rund 2500 Ordnungshütern aufgeboten hatte, zeigte sich dennoch zufrieden mit ihrem Einsatz. In diesem Jahr habe man die Lage rasch in den Griff bekommen, so ein Sprecher, und stundenlange Katz-und-Maus-Spiele verhindern können. Hamburgs neuer Innensenator Heino Vahldieck (CDU) dankte seinen Beamten für ihr »konsequentes Einschreiten«.
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