Kein Mannschaftsspiel beim Bolzen gegen den Etat
Haushalt Sachsen: Opposition kritisiert, bildet aber keine Finanz-Allianz
Als Sachsens Finanzminister Georg Unland vergangenen Donnerstag den Doppeletat für 2011/12 im Dresdner Landtag vorgestellt hatte, passierte, was angesichts von 1,2 Milliarden Euro an Einsparungen allein für 2011 zu erwarten war: Die Opposition fiel über den CDU-Mann vereint verbal her. Ein »Kürzungsfeuerwerk«, mit dem der »Kitt aus den Fugen der Gesellschaft gekratzt« werde, sah der SPD-Fraktionschef Martin Dulig; von Kürzungen »ohne Sinn und Verstand«, die Sachsen zum »Musterland des Sozialabbaus« werden ließen, sprach LINKE-Amtskollege André Hahn. Antje Hermenau, die Fraktionschefin der Grünen, geißelte »handwerklichen Murks« und attestierte der CDU/FDP-Regierung den Verlust an finanzpolitischer Glaubwürdigkeit: »Von ihnen kauft keiner mehr einen Gebrauchtwagen!«
Grüne gehen auf Abstand
Freilich: Zwar setzten LINKE, SPD und Grüne gleichermaßen die Abteilung Attacke in Bewegung. Doch galoppieren sie auf auffällig unterschiedlichem Kurs. Vor allem die Grünen gehen auf Distanz zu den Genossen beider Couleur: Weil sie nicht ausgeschlössen, die enormen Löcher im Etat mit neuen Krediten zu stopfen, stünden sie »außerhalb des Spielfelds«. Die Grünen hingegen akzeptierten den von Unland errechneten finanziellen Rahmen und spielten so »auf dem gleichen harten Rasen« wie Schwarz-Gelb, sagt Hermenau – nur, dass sie das wenige Geld besser verteilen.
Das hat man im Freistaat schon gehört: aus dem Mund Ronald Weckessers, der für PDS und LINKE unter gleichen Prämissen und dem Markenzeichen des »schuldenfreien Sozialismus« alternative Etatentwürfe schrieb. Jetzt trimmt Weckesser die regierende FDP als Berater auf Etat-Disziplin. Die LINKE aber hat erstmals auf einen Alternativhaushalt verzichtet und begründet das mit der unheiligen Allianz aus hohen Steuerausfällen, dem Abschmelzen der Ost-Förderung und Einnahmeverlusten wegen sinkender Einwohnerzahlen. Mit so wenig Geld ließen sich öffentliche Aufgaben in Land und Kommunen schlicht nicht mehr finanzieren, sagt Hahn – gleich gar nicht nach einer Naturkatastrophe wie der Flut vom August mit Schäden von 800 Millionen. Zumindest zu deren Beseitigung sei es dem Freistaat erlaubt, Kredite aufzunehmen, erklärt Hahn und betont, man nehme zwar »nicht gern« Kredite auf, trage den Verzicht auf neue Schulden aber auch »nicht wie eine Monstranz vor uns her«.
Damit steht die LINKE allein im Parlament, denn die SPD will, anders als von Hermenau unterstellt, auch auf neue Kredite verzichten, betont Dulig. Mit gutem Grund: Ein Schuldenverbot wurde in die Finanzordnung aufgenommen, als die SPD mitregierte. Indes lehnt es Dulig ab, sich in schwierigen Zeiten wie diesen an die Prämisse zu klammern, auch die Verschuldung pro Kopf stabil zu halten. Weil die Zahl der Sachsen sinkt, müssen dafür Schulden getilgt werden; 75 Millionen plant Unland ein. Das lehnt die SPD ab, beteuert aber, generell ließen sich ihre Vorschläge ohne Schulden bezahlen.
Esoterik im Finanzplan
Das verkünden auch die Grünen – obwohl sie Korrekturen im mittleren dreistelligen Millionenbereich anmelden. Finanziert werden soll das vor allem aus Ausgaberesten von 700 Millionen, die Unland angesammelt habe. Hahn spricht von einer »grünen Wundertüte« und ätzt, Hermenau – die früher Finanzpolitikerin im Bundestag war – treibe »Haushalts-Esoterik«.
Nach einer rot-rot-grünen Annäherung, auf die gemeinsame Anträge, Presseerklärungen und Vorstöße für Untersuchungsgremien zuletzt hindeuteten, klingen solche Äußerungen nicht. Vor allem Hermenaus Abrücken von den Genossen deuten Beobachter eher als Beleg dafür, dass die Grünen auch in Sachsen die Rolle eines Scharniers spielen wollen, von dem offen ist, ob es am Ende mit der rot-roten oder schwarzen Tür ins Schloss fällt. Überbewerten will Hahn indes die rot-rot-grünen Differenzen bei der wichtigen Etat-Frage nicht. Die kleinste der drei demokratischen Oppositionsfraktionen, sagt er stattdessen milde, suche offenbar »ein Alleinstellungsmerkmal«.
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