Turbulenzen bei Kakao und Weizen
Preis-Kapriolen an den Rohwarenbörsen
2732 Britische Pfund (ca. 3300 Euro) kostete die Tonne Kakao an der Londoner Börse im Juli – so viel wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Knapp zwei Monate später müssen noch knapp 2000 Pfund bezahlt werden. Die Achterbahnfahrt beim Börsenpreis für Kakao hat nur wenig mit den Erträgen bei den Bauern in der Elfenbeinküste, dem wichtigsten Produzenten, in Mexiko oder Bolivien zu tun.
Das ist bei immer mehr Agrarprodukten zu beobachten. Die Preise klettern nicht nur bei Kakao, sondern auch bei Kaffee und Zucker, bei Weizen, Mais und Soja. Die Turbulenzen an den Rohwarenbörsen von London, Chicago und New York haben dabei immer weniger mit den Schwankungen bei den Ernten zu tun, dafür immer mehr mit dem Agieren von Spekulanten. Darauf machte Anfang September auch die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in einer Erklärung aufmerksam. Von einer Lebensmittelknappheit könne keine Rede sein, hieß es beschwichtigend. FAO-Volkswirt Abdolreza Abbassian rechnet nicht mit größeren Hungerrevolten, wie sie vor zwei Jahren in verschiedenen Entwicklungsländern auftraten. Dennoch organisert die FAO ein außerordentliches Treffen von Regierungsvertretern am 24. September, um über die Spannungen auf dem Nahrungsmittelmarkt zu beraten.
In Europa wird das Problem der Preistreiberei mehr und mehr als ernsthafte Gefahr wahrgenommen, wie jüngste Stellungnahmen aus Paris und Berlin zeigen. So hat Frankreichs Regierung die EU-Kommission aufgefordert, die Spekulation an den Rohstoffmärkten strenger zu regulieren. Obendrein hat Präsident Nicolas Sarkozy im Schulterschluss mit der deutschen Regierung angekündigt, das Thema Stabilisierung der Rohstoffpreise oben auf die Agenda der französischen G20-Präsidentschaft zu setzen. Mögliche Konzepte schwirren derzeit zwischen Paris und Berlin zur Abstimmung hin und her, denn, so der Tenor: »Nahrungsmittel dürfen nicht Gegenstand reiner Finanzspekulation werden.«
Das ist allerdings schon lange Fakt. Verstärkt seit der Finanzkrise, aber zum Teil auch schon vorher, suchen Anleger neue Investitionsmöglichkeiten. Statt US-Immobilien sind nun Metalle, Energieträger und Agrarprodukte ins Visier der Manager von Hedgefonds und anderen Investmentfirmen geraten.
Im überschaubaren Kakaosektor lässt sich das Treiben besonders gut beobachten. Dort soll mit Ar-majaro ein einziger Hedgefonds für die Ausreißer beim Kakaopreis verantwortlich sein. Der auf den Handel mit Kakao- und Kaffeezertifikaten spezialisierte Fonds hat die Preise förmlich hochgejubelt. Wie? Ganz einfach, indem er Lieferverträge für Kakaobohnen en gros abgeschlossen hat. An der Rohwarenbörse von London funktioniert das weitaus besser als in New York und Chicago. Da die Händler hier nicht wissen, ob sich die Futures in den Tresoren von Produzenten, Hedgefonds oder Verbrauchern befinden, können sie nicht abschätzen, ob spekulativ oder real gehandelt wird. Die Kakaohändler fordern daher mehr Transparenz der in London getätigten Geschäfte.
Doch das wäre nur ein erster Schritt. Letztlich steht die Frage im Raum: Warum kann theoretisch jeder und jede an der Börse mit Nahrungsmittel-Futures handeln?
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