Tritte auf die Schuldenbremse
In Rheinland-Pfalz haben SPD, CDU und FDP Einigkeit demonstriert – für einen kurzen Moment
Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sei »der Grieche« unter den Landesfürsten, ereiferte sich kürzlich Julia Klöckner unter Anspielung auf die marode Situation der Landesfinanzen in Rheinland-Pfalz. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium und CDU-Spitzenkandidatin für die rheinland-pfälzische Landtagswahl im März 2011 drängt auf einen radikalen Sparkurs in dem Bundesland, das die Sozialdemokraten nach 16 Jahren trotz abnehmender Sympathiewerte auch weiterhin regieren wollen.
Die Sonderklausel »Bund«
Zwischenzeitlich haben sich die drei Fraktionen im Mainzer Landtag – SPD, CDU und FDP – überraschend auf eine Schuldenbremse in der Landesverfassung geeinigt, die vom Parlament in einer ersten Beratung auf den Weg gebracht wurde. Hintergrund ist die im vergangenen Jahr im Grundgesetz festgeschriebene Vorschrift, wonach Bundesländer ab 2020 keine Kredite mehr aufnehmen dürfen, um ihre Haushaltsdefizite auszugleichen. Die Neuverschuldung des Bundes darf künftig nur noch 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen – eine Regelung, die bereits ab 2016 gelten soll.
Im Grundgesetz sind als Ausnahmen bei der Schuldenbegrenzung nur Naturkatastrophen oder schwere Rezessionen aufgeführt. In Rheinland-Pfalz wird als dritte Ausnahme der Fall aufgenommen, dass der Bund Gesetzesänderungen beschließt, die den Ländern zusätzliche Kosten oder Mindereinnahmen verursachen. Letzteres hatte die CDU bislang abgelehnt.
Man muss schon einen längeren Zeitraum zurückblicken, um ein ähnliches gemeinsames Vorgehen der Parteien in Rheinland-Pfalz zu finden. Die nun erzielte Regelung werde den Interessen des Landes zur Haushaltsautonomie gerecht, sagte SPD-Fraktionschef Jochen Hartloff im Mainzer Landtag. Sie wahre zugleich die Rechte des Landtages als Haushaltsgesetzgeber.
Die SPD warf der CDU allerdings inzwischen »unverständliche Nachtreterei« vor. Die Christdemokraten hatten behauptet, die SPD habe sich Schlupflöcher für ungebremste Schuldenaufnahmen erhalten wollen. Das Gegenteil sei der Fall, so Hartloff. Die CDU sei es gewesen, die zu Jahresbeginn »eine mögliche jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes als Vorschlag für die Verfassungsänderung präsentiert« habe. Hartloff: »Das würde für Rheinland-Pfalz einen Betrag von rund 500 Millionen Euro Neuverschuldung pro Jahr bedeuten.«
Das neue Gesetz soll noch im November verabschiedet werden. Der Haushalt 2011, der gerade beraten wird, soll sich bereits an den neuen Vorgaben orientieren. Der Landtag forderte darüber hinaus den Bund auf, Steuersenkungen nicht einseitig zu Lasten der Länder zu beschließen.
Hessen macht es anders
Im Nachbarland Hessen deutet sich zum gleichen Thema eine Annäherung zwischen der regierenden schwarz-gelben Koalition und den oppositionellen Grünen an. Die Tatsache, dass CDU und FDP der Forderung der Grünen nach einer Expertenanhörung zur Schuldenbremse zugestimmt haben, bezeichnete die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Sigrid Erfurth, als »ersten ermutigenden Schritt«. Bei einer Verschuldung von fast 40 Milliarden Euro zahlt Hessen im Jahr 1,5 Milliarden Euro an Kreditzinsen.
Voraussetzung für die Verankerung einer Schuldenbremse in der hessischen Verfassung ist ein mit absoluter Mehrheit gefasster Beschluss des Landtags in Wiesbaden und die Bestätigung mit einfacher Mehrheit bei einer Volksabstimmung. Diese soll gemeinsam mit der hessischen Kommunalwahl am 27. März stattfinden. Just an diesem Tag wird im Nachbarland Rheinland-Pfalz der neue Landtag gewählt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.