Wege aus der Haushaltskrise

Kommunalpolitische Konferenz der LINKEN

  • Michael Fleischmann, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.
Zahlreichen Kommunen in Niedersachsen droht wegen sinkender Einnahmen und explodierender Sozialausgaben der finanzielle Bankrott. Ein Jahr vor der Kommunalwahl hat die LINKE im niedersächsischen Landtag mit externen Fachleuten und Kommunalpolitikern in Hannover die Situation beleuchtet und Gegenstrategien diskutiert. Knapp 150 Besucher waren gekommen.

Obwohl Landkreise, Städte und Gemeinden die Grundlage der Demokratie bilden und deshalb nach Artikel 28 des Grundgesetzes so viele Aufgaben wie möglich selbst regeln sollen, erhalten sie nur 14 Prozent des Steueraufkommens. Der große Rest der Steuergelder gehe zu etwa gleichen Teilen an Bund und Land, kritisierte Manfred Sohn, Fraktionschef der LINKEN im niedersächsischen Landtag, zum Auftakt der Kommunalkonferenz seiner Partei am Sonnabend in Hannover.

Jugendhilfe verringert

Cornelia Rundt vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen nahm die sozialen Auswirkungen der kommunalen Finanzkrise unter die Lupe. Als Beispiel nannte sie die Kinder- und Jugendhilfe. Seit acht Jahren verringere sich die Zahl der Jugendbildungsstätten, Jugendzentren oder kulturellen Einrichtungen massiv, so Rundt. Allein zwischen 2002 und 2006 seien 38 Prozent der Jugendbildungsstätten in Deutschland verschwunden, und pädagogisches Personal werde reduziert.

Rundt kritisierte, dass die Landesregierung Kosten bei der Behindertenhilfe auf die Kommunen abwälze, beispielsweise durch gestrichene Investitionskosten bei der Kurzzeithilfe. Unabhängig vom aktuellen Haushalt sollten sich Städte und Kreise beim Angebot des Landes, die Behindertenhilfe zu übernehmen, wegen deutlich steigender Fallzahlen »nicht über den Tisch ziehen lassen«, warnte sie. Rundt kritisierte die Vorschläge der Gemeindefinanzkommission. Massive Kürzungen seien vor allem in der Jugendhilfe und bei der Hilfe zur Pflege geplant. Mehr Geld müsse »ins System« fließen, sagte sie. Heiger Scholz, Geschäftsführer des Städtetages von Niedersachsen, beschäftigte sich mit den Folgen des Bevölkerungsrückgangs in Teilen des Bundeslandes. Um dort die Versorgung mit privaten Dienstleistungen künftig zu sichern, schlägt er eine Konzentration von Einrichtungen in den Grundzentren vor. Wenn Arzt, Apotheke und Lebensmittelgeschäft dicht beieinander lägen, könnten sie sich gegenseitig stützen.

Auch bei Dienstleistungen der Behörden plädierte Scholz für eine Konzentration, räumte dabei allerdings Probleme mit lokaler Identifikation und Demokratie ein. Um Schulen und vor allem das Gymnasium in der Fläche zu halten, werde man um kooperative Formen nicht herumkommen, sagte er. Scholz beklagte, dass das Land bei der Finanzierung der Kindertagesstätten- und Krippenplätze fast nur Bundesgelder weiterreiche, so dass die Städte und Gemeinden auf den restlichen Kosten sitzen blieben. Er setzte sich vehement für die Beibehaltung der Gewerbesteuer ein, die einen Großteil der kommunalen Einnahmen ausmache.

Zu billig verkauft

Die Steuerausfälle der Kommunen sind laut Patrick Schreiner vom DGB konjunkturbedingt und vor allem auf die massiven Steuersenkungen der vergangenen zwei Jahrzehnte zurückzuführen. Der Finanz- und Wirtschaftsexperte bezifferte allein die kommunalen Steuerausfälle durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz in diesem Jahr auf bundesweit rund 865 Millionen Euro. Die Schuldenbremse werde die Situation der öffentlichen Haushalte weiter verschärfen.

Der Braunschweiger LINKEN-Ratsherr Udo Sommerfeld warb dafür, sich in den Kommunen von teuren Prestigeprojekten zu trennen, um so frei werdende Gelder in andere Bereiche umzuleiten. Sein Oldenburger Ratskollege und Landtagsabgeordnete Hans-Henning Adler berichtete, dass nicht wenige städtische Grundstücke bei Verkäufen viel zu billig weggingen. Zudem könne man einen zu niedrigen Hebesatz bei der Gewerbesteuer anpassen, betonte er.

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