Bahn frei für private Atommüll-Endlager?
Regierung will dem Bundesamt für Strahlenschutz offenbar die Verantwortung entziehen
Laut einem Zeitungsbericht will es die Regierung ermöglichen, dass künftige Atommüllendlager von Privatfirmen betrieben werden.
Schon seit einem halben Jahr kursieren Berichte, wonach die Regierungskoalition dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Zuständigkeiten entziehen und die Endlagerung von Atommüll privatisieren will. Durch einen Bericht der »Süddeutschen Zeitung« erhalten die Spekulationen nun neue Nahrung. So soll laut Entwürfen des neuen Atomgesetzes das Bundesumweltministerium »die Wahrnehmung seiner Aufgaben mit den dafür erforderlichen hoheitlichen Befugnissen ganz oder teilweise auf Dritte übertragen« können. So könnte der Bund private Unternehmen mit Hoheitsrechten ausstatten.
Für ein solches »Modell« gibt es Beispiele – so überwacht im Straßenverkehr der TÜV im Staatsauftrag die Sicherheit von Autos. Die Atomwirtschaft drängt schon länger auf eine vergleichbare Lösung bei der Endlagerung von Atommüll. Das BfS würde faktisch entmachtet. Bislang stehen die geplanten Endlager Gorleben und Schacht Konrad in alleiniger Verantwortung der Behörde, die dem Umweltministerium untergeordnet ist. Sie betreibt außerdem die maroden Atommüllkippen Asse und Morsleben. Insbesondere BfS-Chef Wolfram König – das Grünen-Mitglied steht der Atomkraft bekanntermaßen kritisch gegenüber – ist den schwarz-gelben Atompolitikern ein Dorn im Auge. Das Bundesamt hatte sich zudem dafür ausgesprochen, neben Gorleben weitere Endlagerstandorte zu erkunden. Schon nach der Bundestagswahl war vermutet worden, König solle an der Spitze der Behörde durch einen CDU-Mann abgelöst werden. Mit Blick auf die Situation in der Asse-Region, wo sich das BfS nach Skandalen der vorherigen Betreiber einen vergleichsweise guten Ruf erworben hat, nahm die Regierung von dem Personalwechsel zunächst aber Abstand.
Nutznießer der geplanten Neuregelung könnte ein Unternehmen in Staatsbesitz sein, mutmaßt die »Süddeutsche«. Es könnte laut Entwurf weitgehend autonom wirtschaften, der Bund würde nur noch die Einhaltung der Gesetze kontrollieren. Laut »SZ« kämen dafür nur die »Energiewerke Nord« (EWN) infrage. Sie sind der derzeit größte Eigentümer von Atommüll in Deutschland, haben aber bisher keine Erfahrung mit der Endlagerung. Einziger Gesellschafter der EWN ist das Bundesfinanzministerium. Die EWN betreiben das »Zwischenlager Nord« bei Greifswald und den Abriss der ehemaligen DDR-Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg.
Das Umweltministerium spricht von »langfristigen Plänen«. Der Bund wolle im Gesetz lediglich die Möglichkeit für eine andere Struktur verankern. Konkrete Pläne für eine Beleihung gebe es noch nicht. Dagegen sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch, es bleibe bei der bisherigen Regelung.
Die Opposition kritisiert das Vorhaben scharf. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verkaufe »Schritt für Schritt die Sicherheit der Bevölkerung an die Atomwirtschaft«, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Für die Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn wäre eine Privatisierung der Endlagerung »der Versuch, hier wieder intransparente Strukturen zu installieren, damit man mauscheln und tricksen kann wie unter Kanzler Kohl«. Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg warnt: »Wird das BfS kaltgestellt, würden diejenigen, die in Greifswald mit Atommüll Geschäfte machen, in Gorleben die Regie übernehmen.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.