Echo auf den »Hobby-Genetiker«

2. Integrationskongress des Saarlandes tagte

  • Oliver Hilt, Völklingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie lange bleibt man eigentlich ein »Mensch mit Migrationshintergrund«? Beim saarländischen Integrationskongress in Völklingen wurde am Ende auch diese Frage gestellt.

Eigentlich stand der zweite saarländische Integrationskongress unter dem Motto: »ausbilden-beschäftigen-integrieren«. Vor dem Hintergrund der Debatten um die umstrittenen Sarrazin-Thesen bestimmte jedoch das Wort »Versachlichung« die Veranstaltung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Bundesarbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) ließ es sich nicht nehmen, sich daran mit einem gut halbstündigen Auftritt beteiligen.

Der Ort war durchaus mit Bedacht gewählt, nicht nur wegen des eindrucksvollen Ensembles der Gebläsehalle im Weltkulturerbe. Knapp 40 000 Menschen leben in Völklingen, etwa ein Viertel von ihnen mit Migrationshintergrund. Es ist der höchste Anteil in einer saarländischen Stadt.

Das Beispiel Saarbrückens

Erst vor Kurzem sorgte der geplante Bau einer Kuppel auf der Moschee für heftige Diskussion und bundesweite Aufmerksamkeit. Kaum öffentliche Beachtung fand dagegen die Bereitschaft der türkischen Gemeinde, Gäste des deutschen Katholikentages, der 2006 in Saarbrücken stattfand, aufzunehmen und die Moschee zu öffnen. »Auch das ist ein Stück Deutschland«, betonte Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) vor den über 400 Gästen aus Politik und den unterschiedlichsten mit Integration befassten Institutionen und Organisationen.

In der Sarrazin-Debatte wetterte Müller gegen die Beiträge »eines Berliner Hobby-Genetikers«. Der habe zwar Probleme beschrieben, diese aber mit einer Ursachenanalyse verbunden, die »teilweise abstrus« sei und »an keiner Stelle« Lösungsvorschläge gehabt habe. Wer so agiere, der »spaltet und treibt die Dinge auseinander«, kritisierte Müller. Dass es Probleme bei der Integration gibt, müsse offen angesprochen werden, waren sich Müller und von der Leyen einig. Aber mit Pauschalurteilen sei niemandem geholfen. »Vorurteile, Ausgrenzung von vorneherein, Klischees, das vertieft schablonenhaft die Gräben«, warnte von der Leyen. Große Einigkeit auch, dass Integration Sprachkenntnis zur Bedingung und Voraussetzung hat.

Bei der Frage der Integration in den Arbeitsmarkt stellte von der Leyen fest, »auch in den Jobcentern können wir besser werden«. Dort seien beispielsweise zu wenige Mitarbeiter beschäftigt, die selbst einen Migrationshintergrund haben. Von kulturell gemischten Teams verspricht sie sich deutlich bessere Ergebnisse.

»Die müssen springen«

Bei der Anerkennung von Abschlüssen, die im Ausland erworben wurden, mahnte die CDU-Ministerin vor allem die Kammern zur Eile, was die Festlegung einheitlicher Kriterien zur Anerkennung betrifft. »Die müssen jetzt springen«, denn es dürfe nicht sein, dass im Ausland ausgebildete Ärzte oder Ingenieure hierzulande nur Hilfsarbeiterjobs bekämen.

Aufräumen will die Ministerin bei den schier unübersichtlichen Programmen zur Hilfe beim Übergang von der Schule in eine Ausbildung. »Hilfe ja, aber bitte nicht die Leute zuschütten mit Maßnahmen, die letztendlich unselbstständig machen.« 30 solcher Programme gibt es allein in Bundesverantwortung, rund weitere einhundert auf Länderebene.

Zum Schluss gab der Sprecher des Saarbrücker Integrationsbeirats, Mohamed Maiga, den Kongressteilnehmern die Frage mit, die ihn persönlich schon lange bewegt: Wie lange bleibt man eigentlich ein »Mensch mit Migrationshintergrund« ?

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