Mysteriöser Tod eines Kohl-Freundes

Verbindung zum Skandalfall Elf-Leuna vermutet/Deutsche Staatsanwaltschaft will Verfahren einstellen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die Staatsanwaltschaft Magdeburg keine Notwendigkeit sieht, ihr altes Ermittlungsverfahren über einen Subventionsbetrug durch den französischen Konzern Elf Aquitaine beim Bau der Leuna-Raffinerie wieder aufzunehmen, sorgt ein Mordfall in Frankreich für neue Spekulationen.
Ein deutscher Geschäftsmann, der als enger Vertrauter von Ex-Bundeskanzler Kohl gilt, ist vor Monaten unter mysteriösen Umständen tot in seinem Haus in Cannes aufgefunden worden. Über den Fall, der bisher von Polizei und Justiz totgeschwiegen wurde, hat jetzt als erste die Zeitung »Le Parisien« berichtet. Das Blatt zitiert aus Aussagen von Angestellten und Freunden des Multimillionärs Diethelm Hoener und aus von ihm hinterlassenen Dokumenten. Danach fühlte sich der 60-Jährige, der zunächst Bankmanager war und dann durch Börsenspekulationen mit Aktien US-amerikanischer High-Tech-Firmen ein Vermögen angehäuft hat, verfolgt und bedroht, weil er »zu viel wusste über Zusammenhänge zwischen dunklen Geschäften und Politik«. Er habe zum »engsten Kreis um Helmut Kohl« gehört, den er in »Finanzangelegenheiten beraten« habe. Er zählte auch zu den Finanziers der Stiftung von Hannelore Kohl, die oft bei ihm in Cannes anrief, wie sich Hausangestellte erinnern. Dem Blatt zu Folge vermutet die französische Justiz, dass Hoener auch eine Rolle in der Affäre um die 256 Millionen Francs gespielt hat, die als »Kommissionen« beim Verkauf der Raffinerie Leuna an den französischen Elf-Konzern gezahlt wurden. Mit Dieter Holzer, der zumindest einen Teil dieser Gelder über Schweizer und Liechtensteiner Konten an die CDU transferiert haben soll, sei Hoener befreundet gewesen. Holzer besaß ebenfalls eine Villa an der Cote d'Azur, in Juan-les-Pins, und beide Männer besuchten einander oft in ihren nur wenige Kilometer voneinander entfernten Häusern. Hoener glaubte sich seit Jahren verfolgt und bedroht und hat seine Villa zu einer regelrechten Festung ausbauen lassen. Die Mauern wurden erhöht und zusätzlich mit Stahlspitzen versehen. Das ganze Anwesen war mit Scheinwerfern und Videokameras ausgestattet. Das Haus verließ Hoener stets zu unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Wegen, weil er sich beobachtet fühlte. Ein Mal habe er bei einer mysteriösen Panne zwei Räder seines Autos verloren. Weil er sein Leben bedroht sah, verfasste Hoener ein »Memorandum« über sein Wissen und hinterlegte es bei einem Notar, der es im Fall seines plötzlichen Todes der Familie und Freunden aushändigen sollte. Wie »Le Parisien« daraus zitiert, wurde Hoener zwischen 1985 und 1995 von US-amerikanischen und französischen Geheimdiensten »bearbeitet« und zumindest von 1992 bis 1994 von bundesdeutschen Diensten. Anfang der 90er Jahre wurde er auch von russischen Geschäftsleuten kontaktiert, die über ihn, der als Spezialist in solchen Geschäften galt, 100 Millionen Dollar in Biotechnologie- und Computerfirmen in den USA investieren wollten. Das Geld kam aus der Schweiz und stammte aus den Milliarden, die nach 1990 im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung von der Bundesrepublik an Russland gezahlt wurden - und von denen ein erheblicher Teil in dunkle Kanäle versickerte. Hoener vermutete - und das wurde ihm in einem Schreiben der CIA bestätigt, das sich als Anlage seines »Memorandums« bei den Akten fand -, dass sich die russischen »Investoren« in den USA in Spitzentechnologiefirmen einkaufen und von dieser Position aus in großem Maßstab Industriespionage betreiben wollten. Hier wie da wusste Hoener offenbar zu viel und musste, so die Spekulationen, deshalb sterben. Hausangestellte fanden ihn eines Morgens mit gebrochenem Genick am Fuß der Kellertreppe seines Hauses. Er war in der Nacht gestürzt, hatte das Geländer der Treppe umgerissen und war ein Stockwerk tiefer auf dem Steinfußboden aufgeschlagen. Allerdings stellten Polizeiexperten der Zeitung zu Folge fest, dass seine Lage nicht der eines natürlichen Sturzes entsprochen habe. Man könne nicht ausschließen, dass er gewaltsam in die Tiefe gestoßen wurde. Mehr konnte man bisher nicht ermitteln. Hoeners Frau war an jenem Abend nicht in Cannes, die Hausangestellten hatten frei und seltsamerweise war auch die Videoüberwachungsanlage ausgeschaltet.

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