Iran ohne russische Luftabwehrsysteme

Moskau hält sich jedoch eine Hintertür offen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
USA-Außenministerin Hillary Clinton lobt den Erlass, den Russlands Präsident Medwedjew am Mittwochabend unterzeichnete. Er untersagt die Erfüllung eines vor drei Jahren unterzeichneten Abkommens über die Lieferung von Luftabwehrsystemen des Typs S-300 nach Iran. Begründet wurde die Entscheidung mit den neuen Sanktionen des UN-Sicherheitsrats, denen auch Moskau im Sommer zustimmte.

Bevor Dmitri Medwedjew zur Feder griff, hatte Generalstabschef Nikolai Makarow jedoch klar gemacht, dass Russland die Abkommen nicht gekündigt, sondern lediglich auf Eis gelegt hat. Auch sonst will es die militärisch-technische Zusammenarbeit mit Teheran fortführen.

Weder Russland noch die USA sind daran interessiert, wegen der Iran-Krise den Neustart der bilateralen Beziehungen abzuwürgen. Überdies hat Israel nicht nur den Verkauf unbemannter Drohnen an Moskau, sondern auch die militärisch-technische Zusammenarbeit mit russischen Rüstungskonzernen von einem Verzicht auf die Lieferung der Raketenabwehrsysteme an Teheran abhängig gemacht. Die gemeinsame Herstellung von Kriegstechnik, mit der Russland wie Israel den internationalen Waffenmarkt aufrollen wollen, lohnt sich nicht nur finanziell, sondern ist für Moskau auch ein Prestigeprojekt. Dennoch hat Russlands Präsident aus Sicht von Experten gute Gründe, sich Iran gegenüber eine Hintertür offenzuhalten.

Dem im August in Betrieb genommenen und mit russischer Hilfe fertiggestellten iranischen Kernkraftwerk Buschehr sollen weitere folgen. Schaltet Moskau bei Waffenlieferungen auf stur, warnte Anatoli Zyganok, Chef des Zentrums für militärische Prognosen, könnten andere den Zuschlag bekommen. Japan oder China, das ohnehin immer häufiger Moskaus Kreise stört. Dazu kommt aus seiner Sicht, dass Iran Komponenten der S-300, die Russland zwecks Begutachtung lieferte, kopieren könnte. Qualitätsverluste seien dabei zwar unvermeidlich, dennoch würde Moskau dadurch erheblicher materieller Schaden entstehen. Iranische Militärs hatten bereits vor Monaten erklärt, die Armee werde in Kürze mit eigenen Abwehrsystemen ausgerüstet.

Andere Experten, darunter Radschap Safarow, Direktor des Moskauer Instituts zur Erforschung des modernen Iran, fürchten zudem, Russlands Lieferstopp könnte die USA und Israel zu einer »radikalen Lösung« des Iran-Problems – einem Präventivschlag gegen Teherans Kernforschungszentren und Uran-Anreicherungsanlagen – ermuntern. In dessen Folge käme ein prowestliches Regime an die Macht, wodurch Russlands Position im Mittleren Osten und in der Kaspi-Region geschwächt würde.

Der Chef des Moskauer Nahostinstituts, Jewgeni Satanowski, begrüßte dagegen Medwedjews Ukas. Russland habe alles in seinen Kräften Stehende getan, um neue UN-Sanktionen und damit auch den Lieferstopp der Luftabwehrsysteme abzuwenden. Herbeigeführt hätten beides nicht zuletzt die provokanten Auftritte Mahmud Ahmedinedschads, des iranischen Präsidenten.

Alexander Schumilin vom USA-Kanada-Institut glaubt, Teheran werde sich Moskau gegenüber trotz Lieferstopps nicht zu unfreundlichen Handlungen hinreißen lassen, weil die Islamische Republik international weitgehend isoliert und daher auf ein gutes Verhältnis zu Russland angewiesen ist.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -