Protesttag Nr.6 gegen Sarkozy-Plan

Erneut große Streiks und Demonstrationen gegen Rentenreform in Frankreich

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Vom anhaltenden Widerstand gegen die Rentenreform der Rechtsregierung und darüber hinaus gegen die gesamte Politik des sozialen Kahlschlags zeugte am Donnerstag der in diesem Jahr bereits sechste nationale Streik- und Aktionstag in Frankreich.

Der Aufruf der Gewerkschaften wurde wieder massiv befolgt. Besonders umfassend gestreikt wurde im öffentlichen Dienst. Die meisten Postämter blieben geschlossen. Der Bahnverkehr ruhte zu zwei Dritteln, ebenso wie der Metro-, Bus- und Straßenbahnbetrieb in Paris und vielen Großstädten. Auf den Pariser Flughäfen Roissy und Orly fiel die Hälfte der Flüge aus.

In vielen Bereichen versuchte die Regierung, die Tragweite der Aktionen herunterzuspielen. So stellten die Gewerkschaften fest, dass die Hälfte aller Lehrer dem Unterricht ferngeblieben war, während das Bildungsministerium nur eine Streikbeteiligung von 25 Prozent einräumen wollte. Im Gesundheitswesen haben sich viele Ärzte und Schwestern offiziell am Ausstand beteiligt, sind aber trotzdem – mit einer Armbinde und der Aufschrift »Streikender« – zur Arbeit gekommen, um die Kranken nicht im Stich zu lassen.

An den Streiks und Demonstrationen im ganzen Land haben nach Angaben der Gewerkschaften rund drei Millionen Menschen teilnommen. Während beim letzten Aktionstag am 7. September in knapp 200 Städten demonstriert wurde, waren es diesmal 230. Besonders machtvoll war am Vormittag die Demonstration in Marseille. In Paris wurde am Nachmittag demonstriert. Hier schritten die Führer der größten Gewerkschaften gemeinsam an der Spitze des Protestzuges. Sie fordern übereinstimmend von der Regierung, die Rentenreform in ihrer jetzigen Form zurückzuziehen. In neue Verhandlungen mit den Gewerkschaften sollen auch Oppositionsparteien und Bürgervereinigungen einbezogen werden.

Sprecher der Regierungspartei UMP hatten am Vorabend des Aktionstages erklärt, dass die Proteste keinen Einfluss auf die Entschlossenheit von Präsident Nicolas Sarkozy und seiner Regierung haben würden, die Reform durchzuziehen. Dem hielt der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Pierre Laurent, in einer Erklärung entgegen: »Auf den gegen uns geführten sozialen Krieg haben wir mit einer gigantischen brüderlichen und solidarischen Mobilisierung geantwortet. Die Straße hat gesprochen und ist sich einig. Die Regierung hat den Kampf um die öffentliche Meinung verloren.« Auch die Parteivorsitzende der Sozialisten, Martine Aubry, zeigte sich in einer Erklärung überzeugt, dass noch die Zeit und Chancen für eine Umkehr gegeben sind. Dass das Rentenreformgesetz bereits durch die Nationalversammlung, der ersten Kammer des Parlaments, bestätigt wurde und die Abstimmung im Senat Anfang Oktober bevorsteht, sei kein Grund zur Resignation.

Frankreich hat derzeit mit 60 Jahren in der EU das niedrigste Renteneintrittsalter. Die volle Rente wird allerdings erst nach einer Beitragszeit von 40,5 Jahren ausbezahlt, doch soll auch diese Frist verlängert werden. Den gesamten Rentenbetrag, unabhängig von den Beitragsjahren, erhält bisher auch, wer erst mit 65 Jahren in den Ruhestand geht. Die Eintrittsgrenze soll nun bis 2018 auf 62 Jahre angehoben werden. Wer nicht genug Arbeitsjahre nachweisen kann, soll zudem künftig erst mit 67 die volle Rente bekommen.

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