Mehreinnahmen für Gerechtigkeit
Die Jusos wollen einen deutlich höheren Spitzensteuersatz und die Erneuerung der SPD
ND: Die Jusos haben auf dem SPD-Parteitag am Sonntag in Berlin versucht, sich in die zentrale Debatte um die neue Steuerpolitik der Partei einzuschalten. Wie sind die Jusos mit der Diskussion um ihre Änderungsvorschläge zufrieden? Und warum war es aus Juso-Sicht überhaupt notwendig, einen Initiativ-Änderungsantrag zum Steuer-Leitantrag zu stellen?
Vogt: Der Leitantrag der SPD beinhaltet wichtige Elemente wie die Einführung einer Vermögenssteuer und ein Bekenntnis zu gerechter Umverteilung. Wenn man allerdings nur sagt, man erhöht den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent, sind unendlich viele Tarifverläufe möglich, die sogar zu Mindereinnahmen führen können.
Ein Beispiel: Ein möglicher Tarifverlauf könnte dazu führen, dass Einkommen bis zu einer Höhe von 117 000 Euro für einen Single ohne Kind entlastet werden. Dies ist keine sozialdemokratische Politik nach Juso-Verständnis. Wir wollten daher ein klares Bekenntnis zu Mehreinnahmen und zu einer gerechten Steuerpolitik, in der die Spitzenverdiener mehr in die Pflicht genommen werden.
Sie fordern Mehreinnahmen über die Steuerpolitik, um Bildung und öffentliche Infrastruktur akzeptabler finanzieren zu können. Wie wollen Sie eine stärkere Belastung der Spitzenverdiener erreichen und wo unterscheiden sich Ihre Forderungen von den Forderungen der Partei?
Wir stellen uns einen deutlich höheren Spitzensteuersatz von 53 Prozent vor, wie er bis 1998 existierte, bevor die SPD an die Regierung kam. Der Grundfreibetrag sollte außerdem deutlich auf 9000 Euro erhöht werden. Damit entlasten wir untere Einkommen.
Werden Juso-Forderungen denn auf SPD-Parteitagen, bei denen es ja um den Kurs der SPD geht, überhaupt wieder ernst genommen?
Auf jeden Fall, denn die Formulierung, dass die Einkommenssteuerreform zu staatlichen Mehreinnahmen führen muss, ist jetzt im Antrag enthalten. Außerdem werden Juso-Forderungen auf SPD-Parteitagen immer ernst genommen.
Auf einem Schild neben dem Rednerpult prangte der Begriff Integration. Warum sprechen Sozialisten nicht von Solidarität statt von Integration?
Das ist doch eine akademische Debatte. Der Begriff der Integration ist gesellschaftlich so weit verankert, dass die SPD sich mit diesem Politikfeld auseinandersetzen muss. Natürlich ist unser Grundwert nicht der der Integration, sondern die Solidarität. Dabei bleibt es auch. Für uns hat die Herkunft eines Menschen keine Bedeutung, sondern alle Menschen sollen frei und gleich sein.
Die Bundeswehr übt in Afghanistan zunehmend aggressive Kriegshandlungen aus. Müssen die Jusos nicht viel deutlicher einen sofortigen Abzug aus Afghanistan fordern?
Wir waren schon 2001 gegen diesen Einsatz. Aber da es diesen Einsatz nun gibt, wäre es unverantwortlich, sofort abzuziehen. Die Situation in Afghanistan würde sich auch nicht ändern, wenn nur die deutschen Truppen abziehen. Wir brauchen aber einen Strategiewechsel: weg von militärischen Ansätzen, hin zu einer Stärkung des zivilen Wiederaufbaus.
Studierende sind eine zentrale Klientel der Jusos. Welche Chance bietet die Verschiebung der Mehrheit im Bundesrat den Jusos, endlich auf eine Bafög-Erhöhung zu drängen?
Bundesbildungsministerin Schavan blockiert die Bafög-Erhöhung, damit sie ihr Elitenprogramm finanzieren kann. Wir fordern, nicht Stipendien für wenige zu bezahlen, sondern mit einer Bafög-Erhöhung mehr Studierenden ein Studium zu ermöglichen. Hier ist der Bund in der Pflicht und sollte die Finanzierung übernehmen. Der Konflikt zwischen Bund und Ländern darf aber nicht auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen werden.
Wie geht es weiter mit den Jusos und der SPD?
Die SPD muss weiterhin daran arbeiten, ihre sozialdemokratischen Grundwerte in praktische Politik umzumünzen. Wir Jusos setzen uns dabei auf allen Ebenen für eine Erneuerung der Partei ein.
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