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Die Kirchen zum Sprechen bringen
Ein Mittelalter-Festival an der Romanischen Straße im Elsass wird grenzübergreifend vermarktet
Man fühlt sich wie im Märchenland. Burgen thronen auf Berggipfeln, Kirchtürme schauen zwischen den Weinbergen hervor. Und schmale Straßen schlängeln sich durch blumengeschmückte Fachwerk-Dörflein. Im Elsass ist das Mittelalter architektonisch noch ganz gegenwärtig. Allein aus der Zeit der Romanik gibt es rund 120 Baudenkmale – Burgen, Kirchen, Klöster und Bürgerhäuser. Um Touristen den Besuch zu erleichtern, wurden sie durch die »Route Romane« verknüpft.
Die Staufer als Comic
Zwei mal jährlich, im Frühling und im Herbst, findet auf dieser Romanischen Straße das Festival »Voix et Route Romane« statt. »Wir haben wunderbare romanische Kirchen, aber die Musik aus jener Zeit ist wenig bekannt«, sagt der Festivalleiter François Geissler. »Wir wollen daher romanische Architektur und Tonkunst verbinden und so die Kirchen zum Sprechen bringen.«
Jedes Jahr stellt Geissler eine große Persönlichkeit des Mittelalters ins Zentrum der Veranstaltungen. Hildegard von Bingen und Meister Eckhart waren schon an der Reihe. Nun, im »Stauferjahr 2010«, steht Kaiser Friedrich II. im Mittelpunkt. Im Kloster Odilienberg hat das Festival auch eine Ausstellung ausgerichtet, die die Geschichte der Staufer auf Comic-Tafeln zeigt. »Für Leute, die sich vor dicken Büchern fürchten«, so Geissler.
Das Festival wurde 1993 von einem Verein ins Leben gerufen; finanzielle Unterstützung erhält es von der elsässischen Regionalregierung. Tourismusverbände in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz unterstützen die Vermarktung. Auch die Kirchgemeinden sitzen mit im Boot – nicht nur weil Geissler selbst Priester ist. Da es in Frankreich keine Kirchensteuer gibt, stehen viele Gemeinden finanziell auf wackligen Füßen.
So kommt es, dass es mehrere Jahre dauerte, die Folgen eines Brandes im Glockenstuhl der Abteikirche von Ottmarsheim zu sanieren. In Rosheim kann wird die Kirche nur im Sommer genutzt werden, da das Geld für eine Heizanlage fehlt. Leider investiert hier aber fast jede Gemeinde in eine Musikanlage, die die Betenden mit Chorälen aus der Konserve beschallt. »Friedrich II, der Enkel Barbarossas, war nicht nur römisch-deutscher Kaiser, sondern durch seine Heirat auch König von Jerusalem«, begründet Festivalleiter Geissler, warum er das Festival in diesem Jahr unter das Motto »Zwischen Orient und Okzident« stellt. In der Straßburger Kirche St. Pierre le Jeune führen Blechbläser und Sänger alte zyprische Musik auf; auch die bunte Beleuchtung des Altarraums bringt hier exotisches Flair. In der mit prächtigen filigranen Steinmetzarbeiten verzierten Kirche von Rosheim peppt man mittelalterliche Gesänge durch orientalische Perkussion auf. Und das Konzert in der achteckigen Klosterkirche von Ottmarsheim kombiniert christlichen und islamischen Gesang.
Ein Kratzer am Image
Auch die Sandsteinburgen der Vogesen werden vom Festival, das aktuell noch bis zum 2. Oktober läuft, als Veranstaltungsorte genutzt. Auf Burg Fleckenstein und der Hohkönigsburg finden große Mittelalter-Spektakel mit Musikensembles, Rittern und Akrobaten statt. Gerade bei den als Touristenmagneten wirkenden Burgen zeigt sich aber auch die Kehrseite des reichen architektonischen Erbes im Elsass. Die Hohkönigsburg etwa zieht alljährlich eine halbe Million Besucher an. Vor allem im Sommer sind die Straßen in der Umgebung verstopft; die kleinen Orte ächzen unter Kolonnen von Reisebussen und Wohnwagen. Da bekommt das Mittelalter-Postkartenidyll, als das die Reiseveranstalter das Elsass gerne verkaufen, dann doch einen Kratzer.
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