Der Süden im Norden

Barth, Gille, Kühne: Malerei und Grafik im Barockgarten Großsedlitz

  • Sebastian Hennig 
  • Lesedauer: 2 Min.

Auf dem Parterre des Barockgartens entfaltet sich eine letzte machtvolle Blütenpracht. Noch bewirken die Orangenbaumkübel die erwünschte mediterrane Kulisse. Eines ihrer Winterquartiere ist inzwischen eine Kunstgalerie. Bild für Bild werden hier Ausblicke und Rückblicke zu einer südlichen, einer sommerlichen Welt gelegt. Drei Hyperboräer treffen sich in der Übereinkunft für ein hesperidisches Ideal. Carsten Gille spricht es im Titel direkt aus: »Hesperidengarten«. Dabei liegt sein Hesperien nicht immer westlich von Hellas. Genauso gut bietet Georgien fremd-schöne Anlässe für seine farbigen Harmonien, oder der eigene Garten, der nicht barock-kunstvoll angelegt sein braucht. Ein gepflegtes Chaos bannt die Dämonen und lockt die Götter.

Disziplinierte Bildarbeiter sind alle drei. Der gelernte Architekt Jürgen Barth ordnet mit eingeborenen inneren System von Richtscheit, Zirkel, Lot und Winkelmaß, Bauten und Bäume zu gobelinartigen Ansichten. In Sizilien und an der Atlantikküste sind ihm die Anlässe dazu entgegengekommen. Gille entwickelt mit einem dünnen Farbauftrag lyrische Tableaus von hoher Delikatesse. Dabei bleiben sie immer einem konkreten Anblick verpflichtet. Dieser wird aufgenommen, verwandelt, und das solcherart formal Geläuterte, Gebundene, strahlt machtvoll von den Bildern ab. Wolfgang Kühnes durchgearbeitete Landschaften bekommen eine irreale, bühnenartige Präsenz, die an die Inszenierungen eines Paul Delveaux oder Giorgio de Chirico erinnert. Eine mythische Zeitlosigkeit umhüllt die konkreten Orte, zum Beispiel den Schlosspark Pillnitz oder ein Gehöft am Deich. Es wirkt in dieser Malerei die versöhnende, befriedende Kraft der Sonne. Ihre allmächtige Gewalt beherrscht die Bilder der drei verschiedenen Temperamente von Malern auf jeweils persönliche Weise. Die große durchgehende Wand ist mit den Leinwandbildern geschmückt, während an der gegenüberliegende Fensterfront der langgestreckten Halle kleinere Studien auf Papier ihren Platz gefunden haben.

Auf die Frage, welcher Ausstellungsort, die Obere oder die Untere Orangerie der bildenden Kunst mehr Exklusivität verleiht, gibt es nun endlich eine Antwort: der Raum, in dem die besseren Bilder gezeigt werden. Diese lassen den alten Zweckbau licht, weit und anziehend werden für den Eintretenden.

»Süden im Norden« Jürgen Barth, Carsten Gille, Wolfgang Kühne, Malerei und Grafik, Untere Orangerie des Barockgartens Großsedlitz, Parkstraße 85, Heidenau, bis 30. Oktober, täglich von 8 Uhr bis Einbruch der Dämmerung

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!