Falsche Zeit für die Bremse
Ökonomen stellen Konjunkturprognose vor / Dynamik lässt nach
Um 3,5 Prozent wächst die deutsche Wirtschaft 2010. So die Prognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung (IMK). Die Ökonomen sind damit optimistischer als ihre Kollegen vom arbeitgebernahen Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, die von gut 3,25 Prozent sprechen. Nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Direktors des IMK, Gustav Horn, gibt es aber keinen Aufschwung, sondern eine Erholung von dem »schweren Niederschlag«, den die Wirtschaft mit der Krise erfahren habe – auch wenn diese Erholung schneller geschehe, als es auch die Optimisten erwartet hätten. »Wir sind auf einem guten Weg«, sagte der Ökonom bei der Vorstellung der jährlichen Konjunkturprognose am Montag in Berlin.
Der wichtigste Faktor sei der Exportboom im ersten Halbjahr, gefolgt von expandierenden Investitionen und etwas stärkerem Konsum im Inland. China sei in der Rangliste der Handelspartner Deutschlands aufgestiegen und im portiere besonders Investitionsgüter und Maschinen. Letztlich hätten auch die Konjunkturprogramme beispielsweise im Baubereich wichtige Impulse gegeben. Doch die Freude ist nach Ansicht der Düsseldorfer Forscher nur von kurzer Dauer. Im nächsten Jahr rechnen sie noch mit knapp zwei Prozent Wachstum im Jahresdurchschnitt. Ende des Jahres soll die deutsche Wirtschaft Vorkrisenniveau erreicht haben. Und 2012 verliert sie nach der Prognose noch mehr an Dynamik. Gründe dafür seien, so Horn, dass sich die USA nach der Krise nicht wieder zum Weltstaubsauger der Nachfrage »auf dem Weltmarkt« entwickeln werden und dass die Exporte nach China nachlassen werden, weil das Reich der Mitte in den kommenden Jahren auch Überschüsse im Außenhandel erwirtschaften und nicht nur importieren wolle. Zudem hänge die EU im Wachstum zurück. »Am Horizont ist Depression zu sehen«, sagte der Ökonom. Griechenland, Irland und Großbritannien seien Volkswirtschaften, die bereits abgestürzt seien »oder kurz davor«. Die wirtschaftsstarken Euroländer Frankreich, Niederlande und Deutschland müssten eigentlich stabilisierend wirken, bremsten aber nach Ansicht des IMK, da die Konjunkturprogramme ausliefen und die Regierungen zeitgleich auf Haushaltskonsolidierung setzten.
»In wirtschaftlichen Schwächephasen muss der Staat gegenläufig agieren, bis ein selbsttragender Aufschwung einsetzt«, sagte Horn. Damit übte er Kritik an den Sparpaketen der Bundesregierung. Wenngleich die Schulden abgebaut und die Haushalte konsolidiert werden müssten, sei es für derartige Programme noch zu früh. »Jetzt hart auf die Bremse zu treten wäre ein Fehler.« Konsolidiert werden müsse in Zeiten des Aufschwungs, »und dann braucht es einen Finanzminister, der Forderungen nach Steuersenkungen entschieden zurückweist«.
Die Löhne stagnierten laut IMK im laufenden Jahr, 2011 sollen sie mit 1,3 Prozent nur wenig steigen – die Effektivlöhne wohlgemerkt, also das, was die Beschäftigten auf dem Konto haben. Die Reallöhne werden in diesem Jahr leicht sinken und 2011 stagnieren, so Horn.
Die Konjunktur
Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit wird 2010 laut IMK im Jahresschnitt bei rund 3,2 Millionen (7,7 Prozent) liegen; 2011 sinkt sie auf 2,9 Millionen (7 Prozent). Das liegt auch in der veränderten statistischen Erfassung und der Demografie begründet.
Konsum: Der Privatkonsum wird sich 2010 und 2011 moderat beleben. Er nimmt im Jahresdurchschnitt um ein Prozent zu.
Inflation und Defizite: 2010 steigen die Verbraucherpreise um 1,1 Prozent, 2011 um 1,3 Prozent. Das Staatsdefizit soll laut Prognose 3,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010 und 3 Prozent im Jahr 2011 betragen. ND
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