Moor-Futures für das Klima
Naturschutztag in Stralsund verabschiedete Forderungen an Politik
Unter dem Motto »Frischer Wind und weite Horizonte« kamen Ende September mehr als 570 Experten zum Deutschen Naturschutztag in Stralsund – und wurden erst einmal enttäuscht. Denn Deutschlands oberster Naturschützer, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), hatte seine geplante Reise in die Hansestadt abgesagt.
Das Jahr 2010 sollte eigentlich für den Naturschutz ein großer Erfolg werden. Denn bis dahin sollte der Rückgang der Biodiversität weltweit und damit auch in Deutschland gestoppt werden. Doch der Artenrückgang ließ sich auch im »Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt« nicht aufhalten. Welche Richtung die Naturschutzpolitik in den nächsten Jahren nach Expertenmeinung einschlagen sollte, kann Röttgen nun in einem Forderungskatalog nachlesen, der in Stralsund verabschiedet wurde.
Ganz oben auf der Agenda steht der Schutz der Meere. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, will deswegen Fischfangquoten reduzieren und Meeresschutzgebiete ausweisen. »90 Prozent der europäischen Gewässer sind überfischt«, erklärte sie auf der viertägigen Konferenz. Gefahr drohe den Bewohnern des Meeres auch durch den Abbau von Kies und Sand sowie den Bau von Pipelines und Windrädern. Mut dürfte den Naturschützern machen, dass die Mitgliedsstaaten des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks Ende September ein Netzwerk von sechs Schutzgebieten auf Hoher See unterzeichneten.
Auf dem Festland richtet sich der Fokus der Naturschützer besonders auf den Erhalt der Moore. Diese zählen nicht nur zu den am meisten gefährdeten Ökosystemen, sondern speichern auch Kohlendioxid und Stickstoff und tragen damit einen wesentlichen Teil zum Klimaschutz bei. Um mehr als 120 000 Hektar degenerierte Moore in Mecklenburg-Vorpommern zu renaturieren, will der dortige Umweltminister Till Backhaus (SPD) private Geldgeber anlocken. Ab dem Jahresende bietet das Land sogenannte Moor-Futures an – ein Wertpapier für Unternehmen, die über den freiwilligen Kohlenstoffmarkt ihre Emissionen senken wollen. »Der Preis pro Tonne vermiedenes Kohlendioxid soll zwischen zehn und 50 Euro liegen«, sagte Backhaus. Vom Moorschutz solle auch das Klima profitieren. »Als Einsparpotenzial an Treibhausgasen sind von der Wiedervernässung ca. zehn Tonnen Kohlendioxidäquivalente pro Hektar und Jahr zu erwarten«, hofft der Minister. Das Land hat Erfahrungen mit derlei Geschäften: Mit dem Verkauf von 15 000 Waldaktien wurden landesweit Klimawälder gepflanzt.
Weiter sprachen sich die Teilnehmer auf dem Kongress für eine naturverträgliche Land- und Forstwirtschaft sowie ein länderübergreifendes Biotopverbundsystem aus, das zehn Prozent der Fläche Deutschlands umfassen soll. »Der Biotopverbund steht bereits seit 2002 im Bundesnaturschutzgesetz, ist aber bislang noch nicht überall in den Raumordnungsgesetzen der Länder verankert, geschweige denn praktisch umgesetzt«, kritisiert BUND-Naturschutzexpertin Heidrun Heidecke. Immerhin nähert sich das Grüne Band langsam einem Happy End: Am Rande des Naturschutztages gab das Bundesumweltministerium bekannt, 613 Hektar des ehemaligen Grenzstreifens an Mecklenburg-Vorpommern zu übertragen. Damit sei das Nordende des Grünen Bands gesichert.
Lexikon: Moore
Als Moore bezeichnet man mehr oder minder stark durchnässte Torflager, die sich durch unvollständigen Abbau von Pflanzenresten unter weitgehendem Sauerstoffmangel bilden. Aufgrund ihrer spezifischen Entstehungsbedingungen unterscheidet man Hoch- und Niederungsmoore. Letztere sind permanent vom Grundwasser durchnässt und wachsen kaum in die Höhe. Erstere werden im wesentlichen von Niederschlägen nass gehalten und können durch Zersetzung neuer Biomasse in die Höhe wachsen. Im Torf sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!