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Kämpfer an vielen Fronten

Der Jurist Helmut Kramer wurde mit dem Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union ausgezeichnet

  • Marcus Meier, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Samstag verlieh die Humanistische Union den Fritz-Bauer-Preis an den Rechtshistoriker, rechtspolitischen Aktivisten und Richter a. D. Helmut Kramer. Der Radikaldemokrat deckte gegen Widerstand Unrecht auf, rehabilitierte Nazi-Opfer – und stürzte einen Minister mit NS-Vergangenheit.
Träger des Fritz-Bauer-Preises: Helmut Kramer
Träger des Fritz-Bauer-Preises: Helmut Kramer

Wie eine wehrhafte Demokratie ausschauen könnte, die diesen Namen zu Recht trägt, weil sie nicht bloß als Schlachtruf zur Denunziation fortschrittlicher Bewegungen dient – man kann es erahnen, wenn man auf das Lebenswerk Helmut Kramers blickt. Dr. Helmut Kramer hat Rechtsgeschichte geschrieben – nicht nur als Rechtshistoriker. Und gewiss nicht im Sinne des nicht über Gebühr linken Mainstreams seiner Zunft, über die Kramer sagt: »Das Recht ist eine viel zu wichtige Sache, als dass man es den Juristen allein überlassen darf.«

Am Samstag zeichnete die Humanistische Union den 80-jährigen Unruheständler mit dem Fritz-Bauer-Preis aus, dessen Namenspatron als hessischer Generalstaatsanwalt eine maßgebliche Rolle beim Zustandekommen der Frankfurter Auschwitzprozesse spielte. Mit der Preisverleihung würdigte die linksliberale Organisation insbesondere Kramers »Initiativen zur Aufarbeitung der Justizgeschichte des Nationalsozialismus«.

Laudator Michael Plöse, Jurist an der Humboldt-Uni Berlin, charakterisierte Kramer als einen höflichen, eloquenten und bescheidenen Mann, der »aktiv wurde aus Verantwortung seines Amtes« als Richter. Er habe »die Karriere nicht zum Maßstab aller Dinge« gemacht, aber »das Schwert des Reizens der Tyrannen stets trefflich zu führen gewusst«.

»Das Mordswerkzeug der Juristen war die verschleiernde Sprache«, resümierte Kramer in seiner Dankesrede die Ergebnisse seiner Forschung. Selbst ihre brutalsten Todesurteile hätten die NS-Richter »mit dem Schein juristischer Korrektheit versehen«. Das habe ihnen das gute Gewissen erleichtert. Unrechtsurteile, so Kramer, kamen »mit Hilfe, nicht trotz bestehender Rechtstechniken« zustande. Den Nazis hätten solche von ihrem Tun überzeugte Juristen mehr genutzt als »weisungsgebundene Marionetten«. Viele dieser »Schreibtischtäter« haben, auch daran erinnerte Kramer am Samstag, ihre Karriere in der Bundesrepublik fortgesetzt. Meist nahtlos.

Kramer war und ist ein Vielfronten-Kämpfer: 26 Jahre lang focht er, letztlich erfolgreich, für die Rehabilitierung der Arbeiterin Erna Wazinski, die kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde. Denunziert, verhaftet, gefoltert, gestand die 19-Jährige eine ihr zur Last gelegte angebliche Plünderung. Deutsche Nachkriegsrichter rechtfertigten das Schandurteil, lehnten eine Entschädigung der Angehörigen ab – »mit »ungeheurem juristischen Aufwand« (Kramer). 1991 erwirkte Kramer einen Freispruch.

Kramer kämpfte gegen das Rechtsberatungsgesetz, das die Nazis 1935 einführten, um die aus ihren Kanzleien vertriebenen jüdischen Anwälte ihrer letzten Einkommensmöglichkeiten zu berauben. Auch nach 1945 galt: Nur anerkannte Rechtsanwälte dürfen rechtlich beraten, niemand anderem war dies gestattet, auch nicht unentgeltlich. Der Kampf des Juristen Kramer begann mit einer Selbstanzeige. 2004 wurde das Rechtsanwaltsmonopol gelockert.

Im Konflikt mit seinen Vorgesetzten deckte Kramer 1978 die rassehygienische Doktorarbeit des niedersächsischen Justizministers Hans Puvogel auf. Der CDU-Politiker musste zurücktreten.

Kramers weiteres Engagement umfasst unter anderem den Einsatz für NS-Gedenkstätten, eine rechtshistorische Juristenausbildung in demokratischem Geist und die lokalhistorische Aufklärung über die NS-Zeit. Er ist Mitbegründer diverser Initiativen (so dem Forum Justizgeschichte) und Zeitschriften und betreibt die Webseite »Justizgeschichte aktuell«.

Für den eigenen Berufsstand hat Kramer viel Spott übrig. »Gegenüber Juristen fast ein wenig nachsichtig« werde er allenfalls, wenn er an Ärzte denke – mit denen er immer wieder »verheerende Erfahrungen« gemacht habe.

Der Ort der Preisverleihung war wohl gewählt: Das Kölner ELDE-Haus mit angegliedertem NS-Dokumentationszentrum war von 1935 bis 1945 die Zentrale der Kölner Gestapo. Die winzigen Zellen, Orte der Qual, dienten nach dem Krieg als Aktenkeller. Nach langen Kämpfen ist das ELDE-Haus eine anerkannte Institution in der Domstadt – und darüber hinaus.

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