Imame, made in Germany
In Tübingen und Münster/Osnabrück sollen vom Bund geförderte Islam-Studienzentren entstehen
Berlin (Agenturen/ND-Stötzel). »Ich studiere islamische Theologie«, wird bald in Tübingen, Münster und Osnabrück zu hören sein. An den dortigen Universitäten sollen Islam-Studienzentren für künftige Imame, Religionslehrer, Wissenschaftler und Sozialarbeiter eingerichtet werden. Alle bisher existierenden Studiengänge in Islamwissenschaften sind nicht theologisch ausgerichtet, während es für islamische Geistliche allenfalls Weiterbildungsprogramme gibt. Weitere Standorte sollen im März bestimmt werden.
Die akademische Ausbildung müsse auf der Basis theologischer Forschung stattfinden, sagte Bildungsministerin Annette Schavan. An den Universitäten könne sich »eine historisch-kritische Methode im Umgang mit dem Koran entwickeln«. Sie wertete den Schritt auch als wichtige Facette für die Integration und gegen Islamismus.
»Wir begrüßen das Vorhaben«, sagte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, dem »Kölner Stadt-Anzeiger«. »Imame sind Vorbeter, Wissensvermittler, Seelsorger und auch Integrationslotsen. Deshalb ist es wichtig, dass sie von hier kommen, eine universitäre Ausbildung haben und qualifiziert auf die gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland eingehen können.« Der integrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic, sagte: »Von Deutschland könnten damit wichtige Impulse für einen aufgeklärten Islam ausgehen.« »Es ist höchste Zeit für eine Gleichbehandlung der verschiedenen Religionen in Deutschland«, äußerte sich der religionspolitische Sprecher der LINKEN, Raju Sharma. Die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, Mina Ahadi, nannte es dagegen »einen Skandal«, die geplante Imam-Ausbildung »als Integrationsbeitrag zu verkaufen«. Sie sagte der »Leipziger Volkszeitung«, es würden sich dadurch »Parallelkulturen« verfestigen.
Der Bund fördert die Zentren mit je vier Millionen Euro für zunächst fünf Jahre. Für den »Doppelstandort« Münster/Osnabrück könnte die Förderung höher ausfallen. Weiterhin sollen sich die Bundesländer mit einem Drittel der Kosten beteiligen. Wie es nach den fünf Jahren weiter geht, ist noch nicht ausgemacht.
Keineswegs ausgemacht ist ebenfalls, welche beruflichen Perspektiven sich den Absolventen der neuen Studiengänge tatsächlich eröffnen werden. »Wir haben in Deutschland bisher noch keinen klaren islamischen Religionsunterricht, nur Modellversuche. Wo sollen die Lehrer also arbeiten?«, fragte der Islamwissenschaftler Michael Kiefer. Auch könnten sich viele Moscheegemeinden die Bezahlung akademisch ausgebildeter Imame gar nicht leisten. Nach den Angaben der Deutschen Islamkonferenz gibt es derzeit rund 2000 Imame in Deutschland, von denen die meisten zeitlich befristet aus der Türkei entsandt werden.
Probleme sieht Kiefer auch bei der Besetzung der Dozentenstellen. Man müsse wohl zunächst auf möglichst deutschsprachiges Personal zurückgreifen, das im Ausland ausgebildet wurde. Auch müssten die Muslime bei der Besetzung der Lehrstühle ein Mitspracherecht haben, damit die künftigen Akademiker von der muslimischen Gemeinschaft anerkannt werden. Zu diesem Zwecke sollen Beiräte für die Studienzentren ins Leben gerufen werden, deren genaue Besetzung und Stimmmacht noch offen ist.
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