Gegen Castorgegner wird ermittelt
Lüneburger Staatsanwaltschaft macht ernst
Nun ist passiert, womit viele gerechnet hatten. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg gab am Freitag bekannt, dass sie Ermittlungsverfahren gegen fast 500 Menschen eingeleitet hat, die den Aufruf der Kampagne »Castor Schottern« unterzeichnet haben. In dem Aufruf, der von mittlerweile über 300 Einzelpersonen und knapp 170 Gruppen unterzeichnet wurde, ruft der Zusammenschluss aus linken Gruppen und Organisationen, Parteien und Gewerkschaften dazu auf, massenhaft Schotter aus dem Gleisbett zu entfernen und so den Castor zum Stehen zu bringen. Der Atommüllzug wird Anfang November im französischen Le Hague starten und um den 7. November im Wendland erwartet.
Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski aus Lüneburg betonte gegenüber ND, es gehe nicht darum, was am »Tag X« tatsächlich passiere. Die Ermittlungen gründeten auf Paragraf 111 Strafgesetzbuch, »Öffentliche Aufforderung zu Straftaten«. Das kann nach StGB mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden – auch wenn der Aufruf erfolglos bleibt.
Im Februar war gegen die Aufrufer zur Blockade des jährlichen Dresdener Naziaufmarsches ermittelt worden, was zu Hausdurchsuchungen in Dresden und Berlin geführt hatte. Wie die nun eingeleiteten Verfahren ablaufen werden, wollte Kazimierski nicht kommentieren, »aus ermittlungstaktischen Gründe«. Es seien sowohl schriftliche Ansprachen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme als auch »andere Ermittlungsmethoden« denkbar. »Man kann doch nicht annehmen, öffentlich so breit ungestraft zu Straftaten aufzurufen.« Der öffentliche Schottern-Aufruf sei weder durch die Versammlungs- noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt, sagte der Staatsanwalt. Die Behörde müsse jetzt ermitteln.
Florian Wilde, Chef des Studierendenverbandes Linke.SDS, forderte die Einstellung der Verfahren. Kriminell sei das Festhalten an der Atomkraft, sagte er laut einer Mitteilung. Der Widerstand sei dagegen »legitim«. Die Kampagne »Castor Schottern« zeigte sich unbeeindruckt und sprach in einer Mitteilung von einem »politisch motivierten Einschüchterungsversuch«. »Wir gehen davon aus, dass es auch Hausdurchsuchungen geben kann«, sagte Sprecherin Sonja Schubert gegenüber ND. Man sehe dem »entspannt« entgegen. Seitdem am Mittwoch bekannt wurde, dass die Lüneburger Staatsanwaltschaft die Ermittlungen prüft, sei die Zahl der Neuunterzeichner des Aufrufes sprunghaft angestiegen, »und das sagt schon viel über die Stimmung aus«, sagte Schubert.
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