Lieber Uni-Rektor als Drei-Prozent-Partei-Chef
FDP-Mann Andreas Pinkwart verlässt die politische Bühne
Seinen Rückzug gab er gestern, am Tag 100 der rot-grünen Landesregierung, bekannt: Liberalen-Politiker Andreas Pinkwart verlässt die Politik. Der habilitierte Ökonom will in die Wissenschaft zurückkehren. Am 1. April 2011 übernimmt Pinkwart das Amt des Rektors der Handelshochschule Leipzig. Er freue sich sehr auf die neue Aufgabe, sagte der 50-Jährige. Das ist wahrscheinlich nicht einmal gelogen. Denn zuletzt war Pinkwart nur noch kulturpolitischer Sprecher seiner Landtagsfraktion – und Vorsitzender der NRW-FDP, die in Umfragen derzeit bei drei Prozent dahindümpelt.
Durchaus ein Abstieg für einen ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten und Träger des wohlklingenden Titels »NRW-Innovationsminister«, der sich damit brüstete, innerhalb der alten schwarz-gelben Landesregierung »auf Augenhöhe« zu agieren mit CDU-Landesvater Jürgen Rüttgers.
Doch die 2005 etablierte Koalition aus CDU und FDP ist Geschichte, seit am 15. Juli die rot-grüne Minderheitsregierung das Zepter der Macht ergriff. Darüber konnte Pinkwart offenbar auch der stellvertretende Vorsitz der Bundes-FDP nicht hinwegtrösten, zumal er vergeblich versucht hatte, Parteichef Guido Westerwelle ein paar zusätzliche Machtbrocken abzuringen. So forderte Pinkwart Westerwelle heraus, als er die Rücknahme der »Lex Mövenpick« anmahnte, also jenes umstrittenen Gesetzes, das Hoteliers Mehrgewinne durch Minderbesteuerung ermöglicht. Der Versuch war vergeblich.
Die großen liberalen – und das heißt wirtschaftsliberalen – Auftritte im NRW-Landtag absolviert nicht Pinkwart, sondern Gerhard Papke, der schneidige Fraktionsvorsitzende. Dem neuen starken FDP-Mann zur Hilfe eilt vor allem der parlamentarische Geschäftsführer Ralf Witzel. Pinkwart ist mehr oder weniger untergetaucht, übrigens ebenso wie Ingo Wolf, bis Juli NRW-Innenminister, zuvor von 2002 bis 2005 FDP-Fraktionschef. Wolf und Pinkwart waren diejenigen, die für die Liberalen 2005 die schwarz-gelbe Landesregierung unter Dach und Fach brachten. Nun laufen beide unter »ferner liefen«.
NRW-Fraktionschef Papke hat sich zudem in einer entscheidenden strategischen Frage gegen Noch-Landes-Parteichef Pinkwart durchsetzen können: Die FDP betreibt dank Papke einen knallharten Kurs der Abgrenzung von Rot-Grün. Pinkwart hatte zeitweilig die Annäherung an die beiden nun regierenden Parteien gesucht.
Der Konflikt fand seinen Höhepunkt, als die FDP mit SPD und Grünen Sondierungsgespräche über etwaige Koalitionsverhandlungen führte. Nun vertreiben die Liberalen ein Schillers »Die Räuber« nachempfundenes Heftchen namens »Die Räuber in Rot-Grün. Ein Trauerspiel in fünf Akten«.
Pinkwart hat in Partei und Fraktion also fast nichts mehr zu melden – und noch weniger zu gewinnen. Insofern ist sein Rückzug konsequent und nachvollziehbar. Er wird schrittweise erfolgen. So behält Pinkwart bis Mai den stellvertretenden Vorsitz der Bundespartei. Guido Westerwelle weinte seinem Noch-Vize gestern ein paar Krokodilstränen hinterher: Er bedauere Pinkwarts Entscheidung »persönlich sehr«, so der Ober-Liberale. Er respektiere sie indes und könne verstehen, dass Pinkwart »sich dieser spannenden neuen Aufgabe in der Wissenschaft« widmen wolle.
An der privaten und linker Umtriebe unverdächtigen Leipziger Handelshochschule ist Pinkwart gut aufgehoben. Als Politiker forderte er mehr Druck auf Hartz-IV-Betroffene, als Hochschullehrer forschte er insbesondere zum Thema »New Public Management«. Dabei geht es um die Übernahme privatwirtschaftlicher Management-Prinzipien im staatlichen Handeln, um den Rückbau des Staates, um Kostenersparnis.
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