Verfahrensdauer gerügt

Urteile des Bundesverfassungsgerichts

  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn wichtige Verfahren vor einem Sozialgericht zu lange dauern, verstößt das gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht gab in einem Beschluss einem Mann Recht, der fast vier Jahre auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Osnabrück gewartet hatte.

Die Richter stellten gleichzeitig klar, dass es keine pauschal angemessene Verfahrenslänge gibt. Ob ein Verfahren zu lange dauere, sei immer eine Frage »sämtlicher Umstände des Einzelfalls«.

Der konkrete Fall: Der 1958 geborene Kläger hatte 2005 einen Hirninfarkt erlitten und war zunächst nicht krankenversichert. Rückwirkend meldete ihn eine Firma nach seinem Infarkt zwar zur Sozialversicherung an, die betroffene Krankenversicherung wies die Mitgliedschaft jedoch zurück.

Der pflegebedürftige Mann klagte dagegen im Juni 2006 vor dem Sozialgericht. Pflegekosten von rund 86 000 Euro waren inzwischen aufgelaufen.

Nachdem die Sozialrichter ihn mit Verweis auf ältere Verfahren immer wieder vertröstet hatten, wiesen sie schließlich im Mai 2010 die Klage ab.

Die lange Dauer des Verfahrens verstoße gegen das Grundrecht des Mannes auf einen effektiven Rechtsschutz, rügten die Richter. Angesichts der hohen Pflegekosten-Forderungen sei das Urteil für den Kläger von »eminenter Bedeutung« gewesen, stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fest.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe vom 29. September 2010, Az. 1BvR 331/10

Bedürftige haben keinen Anspruch auf einen kostenlosen Anwalt, wenn sie sich im konkreten Fall selbst helfen könnten, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss.

Mittellose hätten zwar grundsätzlich einen Anspruch auf rechtliche Beratung, sie sollten jedoch nicht besser gestellt werden als jemand, der den Anwalt bezahlen muss und sich deshalb überlegt, ob er seine Rechte nicht auch selbst wahrnehmen kann (Az. 1 BvR 1974/08).

Die Richter lehnten die Beschwerde einer Frau ab, die sich gegen die Kürzung ihrer Hartz-IV-Bezüge wehrte. Nachdem sie bereits in zwei Fällen selbst Widerspruch gegen Kürzungen eingelegt hatte (zum Teil mit Erfolg), beauftragte sie in einem dritten Fall einen Anwalt.

Der Frau war das Geld gekürzt worden, weil sie mehrmals über Wochen im Krankenhaus war und dort kostenlose Verpflegung bekam. Ihr Antrag auf Übernahme der Anwaltskosten im Wege der Beratungshilfe wurde abgelehnt.

Dies verletze die Frau nicht in ihren Grundrechten, entschied das Gericht. Zwar schreibe die Verfassung vor, dass auch Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können, einen Anspruch auf Rechtsschutz haben. Es bestehe aber kein Verstoß gegen das »Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit«, wenn »ein Bemittelter wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würde«.

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