Aufbruch zur Nordkirche
In Travemünde wird die Verfassung für einen neuen kirchlichen Zusammenschluss debattiert
Lübeck/Schwerin. 20 Jahre nach der Deutschen Einheit werden in Norddeutschland die Weichen für eine neue Ost-West-Kirche gestellt. Im Ostseebad Travemünde werden vom 29. bis 31. Oktober 264 Kirchenparlamentarier aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zusammenkommen, um die neue Verfassung der »Evangelischen Kirche im Norden« mit 2,4 Millionen Mitgliedern zu beraten. Pfingsten 2012 soll sie dann offiziell gegründet werden.
Drei Synodentagungen sind vorgesehen, bis die neue Verfassung in Kraft treten kann. Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Gremien und Initiativen können sich bis zum Sommer 2011 an der Diskussion um die Verfassung beteiligen und Änderungen beantragen. Sogar der Name »Evangelische Kirche im Norden« ist vorläufig. Bis Mai 2010 hieß sie noch »Evangelisch-Lutherische Kirche im Norden« und Nordelbiens Bischof Gerhard Ulrich hat keinen Hehl aus seiner Vorliebe für diese Variante gemacht.
1,3 Kubikmeter pro Christ
In der Nordkirche kommen drei sehr unterschiedliche Kirchen zusammen. Während Schleswig-Holstein mit 54 Prozent das Bundesland mit dem höchsten Anteil evangelischer Christen ist, liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 18 Prozent knapp vor Sachsen-Anhalt und Brandenburg auf dem drittletzten Rang. Die bislang selbstständigen Landeskirchen Mecklenburg und Pommern werden künftig in der Nordkirche jeweils nur ein Kirchenkreis sein. Pommern mit seinen rund 96 000 Mitgliedern ist dann nach Dithmarschen mit 92 000 der zweitkleinste Kirchenkreis. Während an der Westküste rund 63 evangelische Christen auf einem Quadratkilometer leben, sind es im Osten nur 13. An Kirchengebäuden mangelt es in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nicht. So haben Mecklenburg (734) und Pommern (448) zusammen mehr Kirchen als Nordelbien (812). Statistisch stehen jedem Christen in Nordelbien 1,3 Kubikmeter Kirchenraum zur Verfügung. In Mecklenburg sind es 16 und in Pommern sogar 20 Kubikmeter. Viele Kirchen im Osten sind baulich in einem schlechten Zustand und warten dringend auf die Sanierung.
Vor allem finanziell wird die Kirche in Mecklenburg-Vorpommern von der Fusion profitieren. Die von Nordelbien übernommene Finanzsatzung sieht vor, dass bei der Verteilung der Kirchensteuern die Zahl der Kirchenmitglieder, die Größe der Gesamtbevölkerung und die Größe der Kirchen berücksichtigt werden. Danach bekommen Mecklenburg und Pommern über 20 Prozent mehr Geld, die westlichen Kirchenkreise rund fünf Prozent weniger als jetzt.
Zu den schwierigsten Verhandlungsfragen gehörten die Standorte der Leitungsgremien. Das Kirchenamt verbleibt weiterhin in Kiel, der künftige Landesbischof wird in Schwerin seinen Sitz haben. Gestritten wird möglicherweise darüber, ob der Landesbischof neben Schwerin auch eine Predigtstätte in Lübeck bekommt. Sprengelbischöfe gibt es in Hamburg, Schleswig und Greifswald.
Gleiche Gehälter?
Auch das Arbeitsrecht ist weiter strittig. Für die westlichen Kirchenkreise und die Landeskirche werden die Gehälter vom kirchlichen Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften ver.di und VKM ausgehandelt. Im Osten werden sie in einer Kommission von Mitgliedern der Kirchenleitung und der Mitarbeiterschaft verhandelt.
Dass der Verfassungsentwurf im Kirchenparlament scheitert, gilt als wenig wahrscheinlich. Es habe in den Beratungen keine tief greifenden Meinungsverschiedenheiten gegeben, sagte Nordelbiens Synodenpräsident Hans-Peter Strenge. Daher rechne er nicht mit »unüberwindlichen Stolpersteinen«. Die Bischöfe Gerhard Ulrich (Nordelbien), Andreas von Maltzahn (Mecklenburg) und Hans-Jürgen Abromeit (Pommern) haben ihre Einigkeit durch eine gleichlautende Wortwahl demonstriert: Der Entwurf versuche, »bewährte Traditionen mit der notwendigen Offenheit für neue Wege und gesellschaftliche Wandlungsprozesse in Einklang zu bringen«.
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