Programmentwurf ist keine Bibel

  • Caren Lay
  • Lesedauer: 3 Min.
Die 37-Jährige ist Bundestagsabgeordnete und Bundesgeschäftsführerin der LINKEN.
Die 37-Jährige ist Bundestagsabgeordnete und Bundesgeschäftsführerin der LINKEN.

Ein neues Programm ist für DIE LINKE von entscheidender Bedeutung. Es geht um die Identitätsbestimmung der jungen Partei – um das, was uns eint und verbindet, und darum, welche Ideen wir der Gesellschaft anzubieten haben. Wir müssen unsere Vision einer Gesellschaft ohne kapitalistische Ausbeutung, patriarchale Unterdrückung und rassistische Vorurteile beschreiben – und das für alle verständlich. Es geht darum, unsere Vorstellung des demokratischen Sozialismus zu bestimmen. Dabei werden wir nur dann verstanden werden, wenn wir neben einer Kritik der Verhältnisse auch Antworten auf die Probleme geben, die die Menschen bewegen. Um das Profil der LINKEN zu schärfen, müssen wir eigene Reformvorstellungen in den Vordergrund stellen.

Ein Zurück zu staatssozialistischen Vorstellungen kann es nicht geben. Auf andere alte Ideen sollten wir uns wieder stärker berufen: Das gute alte Genossenschaftsmodell könnte ein Schlüssel für eine demokratische Wirtschaftsweise und damit für die Zukunft sein. An anderer Stelle sind neue Ideen gefragt: Wie sieht ein Sozialstaatsmodell der Zukunft aus? Eines, das nicht der Industriearbeitsgesellschaft verhaftet bleibt, sondern den Ansprüchen umfassender Emanzipation und Selbstbestimmung gerecht wird. Eine armutsfeste Mindestrente könnte eine Antwort darauf sein. Auch der Zukunftsanforderung einer ökologischen Produktion und Lebensweise muss DIE LINKE gerecht werden. Mit einer Neudefinition des Wachstumsbegriffs können wir die ökologische mit der sozialen Frage verbinden.

Der Programmprozess ist noch aus einem anderen Grund so wichtig: Er ist eine Nagelprobe für die innerparteiliche Demokratie. Das Programm muss in einer Urabstimmung bestätigt werden. Es wäre kein gutes Signal, wenn am Ende eine knappe Mehrheit stünde. Dieses Programm muss Programm aller werden und eine breite Mehrheit finden. Deshalb brauchen wir einen Prozess, der so breit und offen wie möglich ist. Jede und jeder soll sich einbringen können, jedes Argument verdient, gehört und abgewogen zu werden. Der Programmentwurf ist keine Bibel in einer Vitrine, an der nicht gerührt werden darf. Im Gegenteil: Er soll gelesen und diskutiert werden. Am Ende wird es natürlich auch Veränderungen geben. Alles andere hieße, einen zweijährigen Diskussionsprozess nicht ernst zu nehmen. Dabei geht es keinesfalls um Verwässerung, sondern um Verbesserung. Ideologisch aufgeheizte Debatten bringen uns nicht weiter. Was wir brauchen, ist eine faire Diskussion strittiger Fragen. Inhaltliche Debatten haben der LINKEN noch nie geschadet. Wählerinnen und Wähler werden es verzeihen, wenn wir um die beste Lösung in ihrem Interesse streiten.

Nach zahlreichen Regionalkonferenzen wird der Programmkonvent am 7. November der nächste Schritt zu einem neuen Programm sein. Einem tatsächlichen Dialog dient neben Briefen und eigenen Beiträgen auch eine internetbasierte Programmdebatte. Auch DIE LINKE muss die neuen demokratischen Räume, die das Internet bietet, nutzen können. Den Testlauf dafür wollen wir auf dem Programmkonvent starten.

Wir dürfen Kontroversen nicht scheuen, sollten sie aber demokratisch führen. Dann wird am Ende ein Programm stehen, mit dem DIE LINKE die Debatte um soziale Gerechtigkeit anführt und konsequent für eine friedliche Welt und ein gutes Leben für alle streitet.

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