Barack Obama hat Jemen im Visier

Washington erwägt Militärschlag / Regierung in Sanaa macht Jagd auf Topterroristen

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Während Washington als Reaktion auf die vereitelten Paketbomben-Anschläge einen Militärschlag in Jemen erwägt, hat die Regierung in Sanaa am Dienstag eine groß angelegte Operation gegen mutmaßliche Topterroristen gestartet.

Die jemenitische Armee kämpft schon seit Wochen in der südlichen Provinz Abjan gegen dort vermutete Al-Qaida-Zellen. Am Dienstag nun verkündete die Regierung, dass auch in Schabwa und Marib ein großer Militäreinsatz begonnen habe. Im Visier hat man dabei vor allem den von Washington gesuchten Hassprediger Anwar al-Awlaki, gegen den jetzt auch die Staatsanwaltschat in Sanaa Anklage wegen »Anstachelung zur Tötung von Ausländern und Sicherheitskräften« erhob, und den aus Saudi-Arabien stammenden mutmaßlichen Bombenbauer Ibrahim Hassan al-Asiri. Er soll die Paketbomben hergestellt haben, die in der Luftfracht aus Jemen entdeckt worden sind.

Wie Beobachter vermuten, versuche man mit dieser Offensive auch, eine mögliche Intervention von Anti-Terror-Sondereinheiten der USA zu verhindern. Gestern ist in Sanaa ein Ermittlungsteam eingetroffen, um die einheimischen Behörden zu unterstützen. John Pistole von der Luftsicherheitsbehörde sagte dem Fernsehsender CBS, man habe zudem Experten und Ausrüstung entsandt, um Frachtkontrolleure in Jemen auszubilden. Zugleich wurde aus Sicherheitskreisen aber auch bekannt, dass man in Washington einen eigenen Militärschlag erwäge.

Noch zu Jahresbeginn hatte Präsident Barack Obama erklärt, man werde keine Militärs nach Jemen entsenden. Wenige Monate später erteilte er Geheimdiensten und Armee die Erlaubnis, den 1971 in New Mexico geborenen Al-Awlaki gezielt zu töten, weil er zum Dschihad gegen die USA aufgerufen habe. Es sei das erste Mal, dass ein US-Staatsbürger auf die Todesliste gesetzt wurde, schrieb die »New York Times«. Sie wurde von Präsident Bush nach dem 11. September 2001 eingeführt. Wie die »Washington Post« enthüllte, habe Al-Awlaki bereits mindestens einen von US-Militärs unterstützten Angriff jemenitischer Sicherheitskräfte überlebt.

Spezialeinheiten des US-amerikanischen »Joint Special Operations Command« (JSOC) operieren schon seit Jahren auf jemenitischem Territorium. Die Kommandoeinheit aus North Carolina lenkte auch Luftangriffe der US-Navy gegen Ziele auf der Arabischen Halbinsel. Immer wieder kommt es dabei zu »Kollateralschäden«. So starb der Vizegouverneur der Provinz Marib vor einigen Monaten bei Verhandlungen mit Al-Qaida-Vertretern durch eine Kampfdrohne. Schon 2002 hatte die CIA in Marib den angeblichen Al-Qaida-Führer Al-Kaid al-Harethi mit einer Hellfire-Rakete getötet.

Im Juni dieses Jahres verlangte Amnesty International (AI) von Washington Aufklärung über die Ermordung von über 40 Zivilisten in Abjan. Die Menschenrechtsorganisation vermutete den Einsatz von Streubomben. »Ein Militärschlag dieser Art gegen mutmaßliche Kämpfer ohne einen Versuch ihrer Festnahme ist zumindest gesetzwidrig«, erklärte AI-Experte Philip Luther.

Während Washington die Militärhilfe für Jemen auf über 150 Millionen US-Dollar (103 Millionen Euro) verdoppeln will, hat Al Qaida mit dem Sturz von Präsident Ali Abdullah Saleh gedroht und die Bildung einer »neuen Armee« ankündigt. »Renne um dein Leben«, heißt es in einer Internet-Botschaft. Doch auch über 150 einflussreiche Geistliche in Sanaa haben erklärt, beim Einmarsch ausländischer Soldaten in Jemen würden sie zum »Heiligen Krieg« aufrufen.

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