- Politik
- Fokus: Anti-Castor-Proteste
Eisen, Kunststoff und Versprechungen
Neutronenstrahlung des Atommülls ist Achillesferse der Transportbehälter
Die Entwickler der Transportbehälter für Atommüll müssen ein Faible für antike Mythologie gehabt haben: Die Brüder Castor und Pollux finden sich in der Ilias und der Odyssee des Homer. Der Vater von Pollux war Göttervater Zeus, der von Castor ein Mensch. Folge-richtig war Pollux unsterblich, Castor nicht. Tatsächlich gibt es neben dem Transportbehälter »Castor« (Cask for Storage and Transport Of Radioactive material) auch noch einen »Pollux«. Letzterer spielt bislang noch keine Rolle in der Debatte, soll er doch eine Alternative für die »ewige« Endlagerung sein, während sein »Bruder« nur 40 Jahre Zwischenlagerung standhalten soll.
Die Behälter aus der Wiederaufbereitunganlage des französchen Unternehmens Cogema enthalten im Wesentlichen jene hochradioaktiven »Reste«, die nach Extraktion des Bombenmaterials Plutonium aus den abgebrannten Brennstäben deutscher Atomkraftwerke übrig bleiben. Das Material wurde bei der Cogema in Glaskokillen eingegossen, von denen je nach Radioaktivität 20 bis 28 in einen »Castor« des Typs HAW28M bzw. einen TN-85 passen.
»Castor« und »Pollux« wurden seinerzeit von der für die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) entwickelt, einem gemeinsamen Tochterunternehmen der vier AKW-Betreiber in Deutschland. »Castor« ist eine reichlich sechs Meter lange und knapp zweieinhalb Meter dicke Röhre aus einem speziellen Gusseisen. In den 45 Zentimeter dicken Wänden des Zylinders sind in regelmäßigen Abständen Löcher, in denen Stäbe aus dem Kunststoff Polyethylen als zusätzliche Neutronenabschirmung eingelassen sind. Verschlossen wird das Ganze mit zwei verschraubten Deckeln, zwischen denen eine weitere Neutronenabschirmplatte liegt. Um den dichten Abschluss überprüfbar zu machen, wird der beladene Behälter unter leichtem Überdruck mit dem Edelgas Helium befüllt.
Liest man die Prüfberichte der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) oder des Bundesamtes für Strahlenschutz, so ist mit der aufwendigen, 1,5 Millionen Euro teuren Verpackung alles bestens geregelt. Die BAM versichert, dass die Behälter beim Sturz aus neun Metern Höhe auf Beton dicht bleiben und auch die Explosion eines Kesselwagens mit Propan heil überstehen.
Doch Messungen von Umweltverbänden an den realen Transportbehältern belegen, dass der Strahlenschutz durch die dickwandigen Behälter nicht hält was er verspricht. Das beginnt schon bei der Beladung von Behältern mit abgebrannten Brennstäben aus den Abklingbecken der AKW. Da gerieten wiederholt stark radioaktive Partikel aus dem Wasser der Abklingbecken auf die Außenhaut der »Castoren«. Und Messungen im Auftrag von Greenpeace bei den Transporten des Jahres 2008 ergaben bei den französischen TN-85-Behältern eine etwa 45 Prozent stärkere Neutronenstrahlung als bei den Transporten etwas schwächer radioaktiver Atommüll-Kokillen in »Castor«-Behältern im Jahre 2005. Allerdings liegen auch die Greenpeace-Messwerte noch unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Ob diese Grenzwerte medizinisch gerechtfertigt sind, darüber wird bereits seit wenigstens 15 Jahren kontrovers diskutiert. Würde man die Wichtung des Neutronenanteils der Strahlung nur geringfügig erhöhen, wie einige Strahlenmediziner fordern, so läge die Strahlung zumindest bei einigen TN-85-Behältern bereits über dem Grenzwert. Vielleicht ein Grund, warum die Schweiz im Oktober deutsche »Castor HAW28M« bestellte und nicht die Behälter der französischen Firma Transnucléaire. Ob deren Eisenwand nach 40 Jahren Neutronenbombardement noch so stabil ist wie bei den BAM-Tests?
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