Buddhas Generäle
Seit 1962 herrscht in Myanmar das Militär – daran werden die Wahlen wohl nichts ändern
»Schon wieder eine neue Brücke«, schmunzelt U Thein. Der Taxifahrer schlürft seinen Tee und blickt nebenher auf den flackernden Fernsehschirm. Dort läuft die allabendliche Nachrichtensendung des Staatsfernsehens. Immer wieder sieht man dort Männer in Uniform, die neue Brücken, Schulen oder Straßen eröffnen. Das Fernsehen beschwört eine heile Welt, die herzlich wenig mit der Realität des bettelarmen Myanmars zu tun hat. Hier in einer kleinen Teestube am Rande Yangons – der größten Stadt des Landes –, pflegt man ohnehin ein distanziertes Verhältnis zu den regierenden Generälen. U Thein erklärt mir auch warum: »Ich als Taxifahrer habe tagtäglich mit den katastrophalen Straßen zu kämpfen und muss ständig irgendwas an meinem Auto reparieren lassen«, beschwert sich der 50-Jährige. »Im Fernsehen zeigen sie täglich frisch asphaltierte Straßen. Ich frage mich nur, wo die sein sollen. Hier in Yangon jedenfalls nicht«, schimpft U Thein und nestelt dabei an seinem Longyi, dem Wickelrock, den beinahe jeder Birmane trägt.
Eine neue Retorten-Hauptstadt
Die Einwohner Yangons sind nicht gut zu sprechen auf jene Militärjunta, die das zutiefst buddhistische Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1948 fest im Griff hat. Die Generäle mögen gute Soldaten sein; gute Politiker sind sie nicht. Die Folgen ihrer oft unglücklichen Entscheidungen müssen die einfachen Menschen ausbaden. So etwa auch den Entschluss, Yangon als Hauptstadt aufzugeben und einen neuen Regierungssitz zu errichten. Die quirlige Millionenstadt Yangon ist seit Ende 2005 nur noch Distrikthauptstadt der Yangon-Division. Die Generäle residieren nun in der 300 Kilometer nördlich gelegenen Retortenstadt Naypyidaw.
Auf dem Reißbrett entstanden, liegt die neue Hauptstadt in sicherer Entfernung vom politisch unruhigen Yangon. »Seitdem verfällt unsere Stadt«, beklagt sich U Thein. Und wirklich, bei einer Fahrt durch die chaotische Hafenstadt wird schnell sichtbar, dass hier kaum noch jemand investiert. An vielen Häusern im Zentrum der Stadt nagt der Zahn der Zeit. Selbst für den ehemaligen Regierungssitz, eine noch von den Briten errichtete Trutzburg aus rotem Backstein, fand sich bislang keine Verwendung. Er verfällt zusehends. Nur die mit Gold überzogenen Pagoden, wie die berühmte Shwedagon-Paya, sind stumme Zeugen einer längst vergangenen Epoche.
Yangon verdankte seinen Hauptstadtstatus der Kolonialmacht Großbritannien. Die Briten machten die Stadt, die sie Rangun nannten, zum größten Hafen ihrer Kolonie Burma. Über die Kaikanten ging vor allem wertvolles Teakholz. Später kamen Erdöl, Gold und Edelsteine hinzu. Noch heute trägt das Land, das seit 1989 Myanmar heißt, schwer an seinem kolonialen Erbe. Die unzähligen Konflikte zwischen Zentralregierung und den zahlreichen Volksgruppen waren direkte Folge der »Teile und herrsche«-Politik des britischen Empires. Myanmar ist ein Vielvölkerstaat. Die buddhistischen Birmanen, die vor allem die fruchtbare Ebene des Irrawaddy-Flusses bewohnen, stellen nur knapp 69 Prozent der Bevölkerung. In den Bergen ringsum leben Völker wie die Shan, Chin oder die christlichen Karen. Die Briten spielten die Volksgruppen gegeneinander aus. So rekrutierten sie vor allem unter den Karen ihre Kolonialsoldaten, mit denen sie die Birmanen unter Kontrolle hielten. Kurz nach Abzug der Briten brachen Kämpfe zwischen der Regierung und den nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen aus. Als die Situation immer chaotischer wurde, putschte der General Ne Win im Jahre 1962. Er setzte einen ausschließlich mit Militärs besetzten Revolutionsrat ein und proklamierte den burmesischen Weg zum Sozialismus. Dieser basierte auf Selbstversorgung, Isolation, Buddhismus und strikter Neutralität.
Mit Wahlen in die Marktwirtschaft
Der Weg zum Sozialismus entpuppte sich jedoch als Sackgasse. Ende der 80er Jahre lag das Land wirtschaftlich am Boden. Jahrzehntelange Bürgerkriege und Misswirtschaft hatten das rohstoffreiche Land ausgezehrt. Die Situation war so ernst, dass selbst General Ne Win umfassende Reformen forderte und 1988 seinen Rücktritt erklärte. Blutige Unruhen mit tausenden Toten waren die Folge.
Erst langsam erwacht das Land aus seinem Dornröschenschlaf. Die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag sollen ein Fanal für den demokratischen Aufbruch sein. U Thein, mein Taxifahrer, sieht die Abstimmung mit buddhistischem Gleichmut. »Was soll sich schon ändern? Die Generäle werden das Land weiter regieren.« Zumindest wirtschaftlich. Im Rahmen einer gigantischen Privatisierungswelle brachten die Militärs ihre Pfründe in Sicherheit und verscherbelten in den letzten Monaten Staatseigentum an ihnen nahestehende Geschäftsleute. Vom Sozialismus hat man sich ohnehin längst verabschiedet und präferiert nun die freie Marktwirtschaft.
Und dazu gehört offenbar der Anschein von demokratischen Wahlen. Größter Schönheitsfehler: Die bekannteste Oppositionspartei National League for Democracy (NLD) ist nicht dabei. Die Partei boykottiert die Abstimmung, weil ihre Vorsitzende Aung San Suu Kyi nicht als Kandidatin aufgestellt werden durfte. Der »Staatsrat für Frieden und Entwicklung« – so der offizielle Name der Militärjunta – hatte im März dieses Jahres ein neues Wahlgesetz erlassen, wonach verurteilten Häftlingen die Mitgliedschaft in einer Partei untersagt ist. Das erinnert fatal an die letzten Wahlen im Jahr 1990. Auch damals hätte die spätere Friedensnobelpreisträgerin wegen des verhängten Hausarrests nicht ins Parlament gewählt werden dürfen. Doch anders als vor 20 Jahren will die NLD diesmal ohne Sun Kyi nicht antreten. Trotzdem nehmen insgesamt 37 Parteien an der Abstimmung teil.
1990 hatte die NLD triumphiert und 60 Prozent der Stimmen erhalten. Doch die Militärs erkannten das Ergebnis nicht an. Die NLD-Vorsitzende Aung San Suu Kyi war bereits im Jahr 1989 unter Hausarrest gestellt worden. Zwar setzte man die Friedensnobelpreisträgerin später wieder auf freien Fuß, aber bei Bedarf sperrte man sie immer wieder in ihren »Goldenen Käfig« – eine luxuriöse Villa am Rande Yangons. Die Tochter des Nationalhelden und Staatsgründers Aung San ist so etwas wie die tragische Heldin der Demokratiebewegung. Erst im Jahre 1988 war sie nach jahrzehntelanger Abwesenheit zurückgekehrt. In Verkennung der politischen Realitäten ließ sie sich an die Spitze der Demokratiebewegung hieven. Dabei sollte man mit solchen Bezeichnungen natürlich vorsichtig sein. Ähnlich wie in China, ging es einem Großteil der Protestierenden in den 80er Jahren vor allem um wirtschaftliche Verbesserungen. Und auch die Unruhen im Jahre 2007, bei denen wahrscheinlich mehr als 200 Demonstranten ums Leben kamen, entzündeten sich an einer Preiserhöhung für bis dahin stark subventioniertes Benzin. Den Parteien der ethnischen Minderheiten, die der Opposition zugerechnet werden, geht es mehr um Autonomie als um Demokratie.
Und so komme es auf Frau Sun Kyi auch gar nicht an, meint U Thein. Schließlich hätten die Generäle einen »Sieben-Punkte-Plan« für den Übergang zu einer »disziplinierten Demokratie« entwickelt. Er wisse nur nicht, welchen der sieben Punkte man nun erreiche, sagt er und verabschiedet sich. Dann setzt er sich in seinen altersschwachen Toyota und braust davon. In eine ungewisse Zukunft auf den löchrigen Straßen Yangons.
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