»Wunderkinder« im Klinikum Buch

Ungewöhnliche Rolle für Konstantin Wecker in einem Film über Zivilcourage

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Konstantin Wecker juckt es in den Fingern. In der Pause der Dreharbeiten von »Wunderkinder« im Krankenhaus Buch stellt er sich ans Klavier. Volkslieder und seine Songs gegen den Rassismus in Deutschland locken schnell seine Kollegen herbei. Eine merkwürdige Szene entsteht. Konstantin Wecker trägt die Uniform eines SS-Offiziers. Ihm lauschen Soldaten der Roten Armee und Kinder, auf deren Mäntel der Judenstern genäht wurde.

Wecker gefiel die Idee, einen kunstsinnigen Nazi von einem Musiker spielen zu lassen, deshalb sei er nach kurzem Zögern und Rücksprache mit Vertrauten ins Kostüm des Feindes geschlüpft. »Ich bin erstaunt, wie sehr die Uniform mich verändert und mir hilft, die Rolle dieses unangenehmen Typen zu gestalten,« gesteht der 63-jährige Münchner. »Ich habe das immer geahnt, deshalb war ich nie beim Militär.«

Wecker hat die Entscheidung für den Part nie bereut. »Es ist interessant zu erfahren, was vom Gegner in uns wohnt. Ich verstehe jetzt Goethe noch besser, der ja mal gesagt hat, es gebe keine Schandtat, die er sich nicht selbst zutrauen würde.« An seinen freien Tagen mischt er sich weiter ein, zum Beispiel bei einer Demo gegen Stuttgart 21. In strömendem Regen spielte er vor Zehntausenden. Die Atmosphäre erinnerte ihn an sein Konzert im Berliner Friedrichshain im Juni 1987, als ihn beinahe der Flügel unter den Händen wegschwamm. Und an die bewegten 1980er Jahre in der BRD. »Die Menschen hatten wieder so ein Leuchten in den Augen, das ich lange vermisst habe«, beschreibt er seine Eindrücke. »Es geht ja nicht nur um den Bahnhof, sondern darum, dass uns Wirtschaft und Politik nicht mehr permanent verarschen.«

Um Zivilcourage und Einmischen dreht sich auch die Story von »Wunderkinder«. Sie beginnt in der Ukraine des Jahres 1941. Zwei Kinder, die begabte Pianistin Larissa und der Violinist Abrascha, füllen bei ihren Konzerten bereits die Zuschauerräume. Nach langem Betteln erlaubt ihre Lehrerin, dass Hanna, Tochter deutschstämmiger Bauern, mit ihnen übt. Die Drei werden ein unzertrennliches Trio. Bis die Nazis die Sowjetunion überfallen. Hannas Eltern können sich mit Hilfe der Familien von Larissa und Abrascha verstecken. Doch bald ist das Leben der beiden Familien jüdischen Glaubens bedroht.

Neben Wecker unterstützen Gudrun Landgrebe, Catherine Flemming, Natalia Avalon, Kai Wiesinger und Michael Mendl die drei Neuentdeckungen Mathilda Adamik, Imogen Burrell und Elin Kolev. Die Geschichte wird konsequent aus ihrer Sicht erzählt, daher ist in jeder Szene mindestens einer von ihnen besetzt. Für Regisseur Marcus O. Rosenmüller eine logistische und zeitliche Herausforderung, da die Kinder nicht lange vor der Kamera stehen dürfen.

Neben den Villen des Klinikums im Berliner Norden waren das Hebbel-Theater und die Schultheiß-Brauerei die Drehorte. Außerdem war die Crew in der russischen Siedlung Alexandrowka in Potsdam und im Studio Babelsberg. Einige Szenen wurden auch in Putbus auf Rügen realisiert, wo noch unsanierte Häuser gefunden wurden. Hinter dem Projekt steht Alice Brauner, die mit »Wunderkinder« die Tradition der CCC Filmkunst fortsetzt. Ihr Vater Artur Brauner war der erste westdeutsche Produzent, der den Mut hatte, den Holocaust im Film zu thematisieren. 23 der mehr als 250 Filme der Firma behandeln dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte, darunter hoch gelobte und mehrfach ausgezeichnete Klassiker wie »Hitlerjunge Salomon«, »Hanussen«, »Babij Jar« und »Der letzte Zug«. Bei diesem Drama von Joseph Vilsmaier und Dana Vávrová hatte Alice Brauner erstmals die Fäden in der Hand.

Vom Potenzial des Wunderkind-Stoffes hat sie die ARD und die Leipziger Kinowelt überzeugt, die den Film 2011 ins Kino bringen wird. Alle liebäugeln mit einem Termin im Februar. Nur Konstantin Wecker passt dieser Termin nicht. Er ist dann wieder mit seinen Liedern auf Tournee.

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