- Politik
- Fokus: Anti-Castor-Proteste
Warten auf Castor
Zehntausende wehren sich heute gegen den Atommüll
Zehntausende werden heute in Dannenberg demonstrieren. Der im Bundestag abgenickte Beschluss der schwarz-gelben Koalition, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, hat nicht zu Resignation geführt, sondern zu einem Jetzt-erst-Recht-Gefühl: Inzwischen ist der häufigste Satz, den man zum Thema hört: »Damit kommen die nie durch.« Nicht eingefleischte Anti-Atom-AktivistInnen reden so, sondern Leute, die normalerweise eher sagen »Die da oben machen ja doch, was sie wollen.« Da verschiebt sich etwas in der Gesellschaft, das weit über die Frage der AKW-Laufzeiten hinausgeht.
Damit kommen sie nicht durch: Die Zeiten für die Atompolitik stehen auf Sturm und ausgerechnet jetzt, eine Woche nach der Bundestagsentscheidung für eine Verlängerung des AKW-Risikos, für mehr Strahlenmüll, fahren jetzt wieder Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Müll ins Wendland.
Im Wendland geht der Protest schon immer durch alle Bevölkerungsschichten. Doch diesmal kommen aus der ganzen Republik viele Menschen dazu, die bisher noch nie auf einer Demonstration waren. Ursache dafür ist die Empörung über eine Atompolitik, die nur den Interessen von RWE, E.on und Co. dient, aber die ganze Bevölkerung das Risiko tragen lässt. Alte Atomkraftwerke sind nicht sicher. Die Atommüll-Entsorgung ungelöst. Das führt dazu, dass die Leute nicht nur demonstrieren, sondern noch weiter gehen, dass sie sich querstellen.
Tausende werden noch einen Schritt weiter gehen als zu demonstrieren und Gesetze zu übertreten, weil sie meinen, dass diese Gesetze im Wendland nur ein Unrecht schützen. Sie werden versuchen, eine Schienenstrecke unbefahrbar zu machen, die am Wochenende nur vom Atommüll-Transport genutzt wird. Sie werden sich auf die Straße setzen und den Castor nicht freiwillig durchlassen. Das tun sie gewaltfrei, aber nicht friedlich. Den Frieden hat die Regierung gebrochen.
Der hoch radioaktive und über Jahrtausende strahlende Müll wird in den Wald bei Gorleben gestellt, in Behältern, die höchstens 40 Jahre dicht halten sollen. Was nach dieser Zeit damit geschehen wird, ist völlig unklar. Wer jetzt die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert und damit dafür sorgt, dass zusätzlich tausende Tonnen strahlende Abfälle entstehen, handelt zutiefst verantwortungslos und sät den Unfrieden.
Angela Merkel hat zwar eine Mehrheit im Bundestag für ihre Atompolitik. Aber sie verliert jeden gesellschaftlichen Rückhalt. Die Entfremdung zwischen Regierung und Bevölkerung wächst weiter an. Jeder Versuch, diese fehlende Akzeptanz mit Polizeigewalt wieder herstellen zu wollen, wird nach hinten losgehen.
Bei den Protesten gegen den Castor-Transport ist klar, dass nicht die Polizei unser Gegner ist. Die Bundesregierung ist unser Gegenüber, nicht eine Polizei, in der viele Beamtinnen und Beamte die aktuelle Atompolitik genauso kritisch sehen wie wir.
Unsere Forderungen beim Castor-Protest und beim Widerstand gegen eine verfehlte Politik sind klar: Weil es auch nach 50 Jahren kommerzieller Atomenergie-Nutzung weltweit keinen sicheren Lagerplatz für hoch radioaktiven Müll gibt, müssen die Atomkraftwerke stillgelegt werden. Weil der Salzstock Gorleben direkten Kontakt zum Grundwasser hat und brennbare Gase beinhaltet, muss er als Standort für ein Atommüll-Endlager aufgegeben werden. Weil Demonstrationen ein Lebenselixier der Demokratie sind, müssen sie von der Polizei geschützt und nicht bekämpft werden.
Letztendlich geht es nicht darum, dass der Atommüll-Zug umkehrt, sondern dass die Regierung umdreht und eine andere Atompolitik macht.
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