Einsendeschluss für Rettungspaket
Wirtschaftsminister will Wirtschaftsfonds stoppen / Krisenbranchen fürchten nun um Existenz
Für Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist der Wirtschaftsfonds ein voller Erfolg. Besonders der Mittelstand profitiere vom Rettungspaket. Trotzdem soll Ende 2010 Schluss sein. »Die Bundesregierung«, so Brüderle, »hat sich für das Auslaufen zum Jahreswechsel entschieden.« Für große Aufregung sorgte die Ankündigung aber nicht: Auf den ersten Blick war der Fonds nämlich ein Flop. Von ursprünglich 115 Milliarden Euro haben Unternehmen nur jeden zehnten Euro abgefordert.
Auf dem Höhepunkt der Krise, Anfang 2009, hatte die damalige Regierung alle wirtschaftsliberalen Vorsätze über Bord geworfen und mit riesigen Banken- und Krisenpaketen versucht, die Wirtschaft zu stützen. Am populärsten wurde die sogenannte Abwrackprämie für Altautos. Mit ihren Rettungspaketen legte die Regierung auch ein 115 Milliarden Euro starkes Kredit- und Bürgschaftsprogramm auf, den »Wirtschaftsfonds Deutschland«. Damit sollte Unternehmen bei der Schließung von Finanzierungslücken geholfen werden, die durch die Krise entstandenen waren. Doch der Fonds wurde kaum genutzt: Bis Ende September 2010 waren laut Wirtschaftsministerium 17 982 Anträge über insgesamt rund 13,4 Milliarden Euro bewilligt worden – ursprünglich hatte der Staat 115 Milliarden Euro bereitgestellt.
Dennoch feierte der Fonds auch Erfolge, zum Beispiel regional: »Trotz der Wirtschaftskrise konnten sich die mittelständischen Betriebe in Thüringen am Markt halten und qualifizierte Arbeitsplätze sichern«, sagte eine Sprecherin der Bürgschaftsbank Thüringen. 2010 seien im Freistaat 7321 Jobs gerettet worden. Mit den 600 seit Anfang 2009 bewilligten Bürgschaften seien Kredite von über 160 Millionen Euro gestützt und Investitionen von über 620 Millionen Euro angestoßen worden.
Zum Jahreswechsel läuft der Fonds aus. Bis dahin können zwar noch Anträge gestellt werden, aber Mitte 2011 ist Schluss mit dem staatlichen Geldsegen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßt das Ende »grundsätzlich«. Doch könnten Probleme auftreten, wenn die Konjunktur weiter anziehe und die Kreditnachfrage steige. »Einzelne Elemente« des Fonds sollten daher fortgesetzt werden, sagt auch der Zentralverband des Handwerks.
Ganze Branchen sorgen sich weiter um die Zukunft. So befürchtet der Werftenverband VSM einen weiteren Rückzug der Banken aus der Schiffsfinanzierung. »Herr Brüderle hat das Ende der Krise ausgerufen und will nicht wahrhaben, dass die Krise im Schiffbau noch längst nicht vorbei ist«, kritisierte IG-Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau. Marktradikalismus helfe in einer Branche mit hoch subventionierter Konkurrenz in Südostasien nicht weiter. Anfang Oktober hatten IG Metall, die Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen sowie der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) Brüderle gebeten, die Hilfen für die Branche um ein Jahr zu verlängern. Ohne Wirtschaftsfonds sei der Wandel vom Container- zum Spezialschiffbau gefährdet.
Blankau appellierte auch an Kanzlerin Angela Merkel (CDU): »Durch ihr Engagement für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern weiß Merkel um die nach wie vor dramatische Lage im Schiffbau.« Um die Kreditversorgung zu garantieren, sollte bis Ende 2012 die Möglichkeit einer neunzigprozentigen Bürgschaft durch Bund und Länder für Schiffbaukredite erhalten bleiben.
Werftenkrise
Im ersten Quartal 2010 gab es bei zehn Ablieferungen nur sechs neue Aufträge für die Werften. 2009 standen 20 Neubauaufträgen im Wert von 500 Millionen Euro 31 Stornierungen im Wert von 1,4 Milliarden Euro gegenüber. Ende August 2010 waren auf den deutschen Werften laut IG Metall nur noch 16 760 fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt. Das sind 700 oder 3,9 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. hape
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