Gefälschte Abmahnungen per E-Mail

Verbraucherschützer warnen

  • Lesedauer: 3 Min.
In den vergangenen Wochen mehren sich die Hinweise über gefälschte Abmahnungen an Verbraucher, die per E-Mail aufgefordert werden, wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen 100 Euro zu zahlen.

Wolfgang Baumgarten, Jurist von der Verbraucherzentrale Brandenburg, warnt: »Die Betroffenen sollten keinesfalls die geforderten 100 Euro zahlen und das Vorgehen bei der Polizei anzeigen.« Hinterhältig sei, so der Jurist, dass als Absender der Mails eine tatsächlich existierende Rechtsanwaltskanzlei aus Hamburg genannt wird.

Den Adressaten werde erklärt, dass in staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten dokumentierte illegale Downloads und Uploads von Musikstücken gefunden worden. Angeblich um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen, sollen die Betroffenen 100 Euro an eine angegebene E-Mail-Adresse senden.

Aus dem Inhalt der Mail geht jedoch ganz klar hervor, dass dieses Schreiben nicht von einer Anwaltskanzlei kommen kann, meint der Jurist Baumgarten, denn der bei einer korrekten Abmahnung geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung fehle völlig. Da das Vorgehen Straftatbestände erfülle, sollte Anzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erstattet werden.

Wurde der Internetanschluss des Betroffenen tatsächlich missbraucht, muss er künftig »marktüblich gesichert« werden. Während hier laut Verbraucherzentrale nur Anwaltskosten bis zu 100 Euro angemessen scheinen, müssen aktive Rechtsverletzer deutlich mehr berappen.

In Schreiben behaupten Rechtsanwälte, der Internetanschlussinhaber habe zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Tauschbörse urheberrechtswidrig Musik- oder Filmdateien angeboten. Er solle unverzüglich eine »strafbewehrte Unterlassungserklärung« abgeben und damit verbundene Zahlungsansprüche anerkennen, um gerichtliche Schritte zu vermeiden.

»Die voreilige Unterschrift unter solchen Erklärungen kann für Betroffene teuer werden«, warnt Verbraucherschützer Jan Wilsch-ke. Die von spezialisierten Kanzleien angeschriebenen Verbraucher wären oft nur Inhaber des Internetanschlusses und hätten lediglich dessen unzureichende Sicherung gegen Missbrauch durch Dritte zu verantworten – ob durch eigenen Kinder oder Unbekannte, die sich ins W-LAN einhacken und in Tauschbörsen geschützte Film- oder Musikdateien herunterladen.

»Wer seinen Internetanschluss nicht in üblicher Weise gesichert hat, der muss das schnellstens nachholen und angemessene Anwaltskosten zahlen. Allerdings halten wir Anwaltskosten von mehr als 100 Euro bei einem ersten Rechtsverstoß für überhöht«, so der Jurist Wilschke.

Die Überforderung mancher Verbraucher durch die rasante technische Entwicklung spielte unlängst vorm Bundesgerichtshof (BGH) eine Rolle: Der Anschlussinhaber eines WLAN-Netzes war zum Zeitpunkt einer Urheberrechtsverletzung im Urlaub und damit nicht anwesend, sollte aber für den Missbrauch haften. Mit Urteil vom 12. Mai 2010 (Az. I ZR 121/08) entschied der BGH daraufhin grundsätzlich, dass der Inhaber seinen Anschluss »marktüblich zu sichern« habe.

Derzeit gilt dieses Kriterium mit WPA2-Verschlüsselung und einem eigenen sicheren Passwort als erfüllt. Wer dies unterlässt, hafte als sogenannter »Störer« für Rechtsverletzungen Dritter und muss daraus entstandene Anwaltskosten tragen, nicht jedoch für Schäden durch die Weiterverbreitung von Werken aufkommen. Die Höhe der Anwaltskosten beschränkt § 97a II des Urheberrechtsgesetzes für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit unerheblichen Urheberrechtsverletzungen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

Individuellen Rat erhalten Betroffene in den Verbraucherberatungsstellen: Terminvereinbarung unter Tel. (01805) 00 40 49 oder am Beratungstelefon (09001) 775 770.

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