»Begründete Einzelfälle«
Papst lockert laut neuem Buch striktes Verbot von Kondomen
Rom (epd/ND). Es gebe laut Benedikt »begründete Einzelfälle« etwa bei Prostituierten, in denen Präservative nützlich seien. Im Ausnahmefall könnten Kondome ein »erster Schritt zu einer Moralisierung« sein, heißt es in dem am Mittwoch erscheinenden Interview-Buch »Licht der Welt«, aus dem die Vatikanzeitung »Osservatore Romano« am Sonntag Auszüge veröffentlichte.
Die Aussagen zur Verwendung von Kondomen wurden umgehend als spektakulärer Kurswechsel des Heiligen Stuhls gewertet, der sich trotz Aids-Epidemie stets gegen Präservative ausgesprochen hatte. In einer ersten Reaktion sprach die UN-Organisation UNAIDS von einem »positiven Schritt nach vorn«. Der Vatikan erkenne damit an, dass ein verantwortliches Sexualleben und die Verwendung von Kondomen eine wichtige Rolle bei der Aids-Prävention haben.
Ein Vatikansprecher betonte unterdessen ausdrücklich, dass Benedikt XVI. Kondome nur in Ausnahmefällen erlaubt habe.
Das Interviewbuch »Licht der Welt« mit dem Untertitel »Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit« ist ab Mittwoch im Buchhandel erhältlich. In Deutschland werden Passagen vorab in der »Bild«-Zeitung und im Münchner Nachrichtenmagazin »Focus« veröffentlicht. Das Buch geht auf Gespräche zurück, die der deutsche Journalist Peter Seewald Ende Juli mit Benedikt in dessen Sommerresidenz in Castel Gandolfo führte.
Fast zwei Jahre nach der Affäre um den Holocaust-Leugner Williamson räumt Benedikt in dem Buch ein, dass er den zur ultrakonservativen Pius-Bruderschaft gehörenden Bischof nicht rehabilitiert hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass dieser die Existenz der Gaskammern der Nazis leugnet. Er hätte Williamsons Fall abgetrennt, so der Papst laut der Vorabveröffentlichung des Nachrichtenmagazins »Focus«.
Benedikt verteidigt im Interview Papst Pius XII., der von 1939 bis 1958 im Amt war und wegen seines Schweigens zum Holocaust bis heute umstritten ist. Pius sei »einer der großen Gerechten« gewesen, der so viele Juden gerettet habe »wie kein anderer», betonte Benedikt laut »Osservatore Romano«.
In der Debatte um Verbote von Ganzkörperschleiern in westlichen Ländern äußert der Papst sich offen für Burkas, wenn die betroffenen Frauen sie aus freiem Willem tragen. Es gebe »keinen Grund für ein generelles Verbot« dieser Form der Verschleierung. Nur dann, wenn es sich um eine »Vergewaltigung der Frau« und ihres Willens handele, sei die Burka abzulehnen.
Eine Priesterweihe von Frauen in seiner Kirche lehnt der Papst strikt ab. Kommentar Seite 4
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