Französische Journalisten sehen sich ausspioniert

In der Affäre Woerth-Bettencourt scheint jedes Mittel recht zu sein

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Staatsaffäre um die Konzernerbin Lilian Bettencourt und den ehemaligen Minister und Parteischatzmeister Eric Woerth geht weiter – und das mit harten Bandagen.

Staatsanwalt Philippe Courroye, ein enger Freund von Präsident Nicolas Sarkozy, sollte offenbar die Affäre um die illegalen Millionenspenden für die heutige Regierungspartei UMP »entschärfen«. Zuerst versuchte er, Zeugen, die über die illegale Parteifinanzierung und die Beihilfe zur Steuerflucht berichtet hatten, einzuschüchtern, in Widersprüche zu verwickeln und unglaubwürdig zu machen. Dann eröffnete er gegen den Hausangestellten, dessen Tonbandaufnahmen nachgewiesen hatten, wie die reichste Frau Frankreichs von »Freunden« und »Beratern« manipuliert und ausgenommen wurde, ein Verfahren wegen »Verletzung der Privatsphäre«, statt sich mit dem Inhalt der Bänder zu befassen. Schließlich wollte er der Richterin Isabelle Prévost-Desprez das Verfahren entziehen lassen, das Tochter Françoise Meyers- Bettencourt wegen des Verdachts beantragt hatte, dass ihre 87-jährige Mutter Liliane offenbar vermindert zurechnungsfähig und daher ein leichtes Opfer ihrer Umgebung ist, so dass sie in ihrem eigenen Interesse unter Vormundschaft gestellt werden müsse.

Der übergeordnete Staatsanwalt aber entzog sowohl seinem Kollegen Courroye als auch Richterin Prévost-Desprez sämtliche vier Verfahren und übertrug sie drei Untersuchungsrichtern, die nicht an Weisungen des Justizministers und damit des Elysée-Palastes gebunden sind. Dass das Präsidendenamt die Affäre aufmerksam und besorgt verfolgte, dafür gab es in den letzten Wochen zahlreiche Hinweise. So erfuhren Journalisten, dass der Inlandsgeheimdienst DCRI ihre Telefone abgehört und Treffen mit Informanten überwacht hat, um »Lecks« im Staatsapparat zu ermitteln, durch die peinliche Informationen in die Medien gelangen. Diese Wühlarbeit war wohl nicht ganz erfolglos, denn plötzlich wurde ohne offizielle Begründung ein Berater aus dem Büro von Ministerin Michèle Alliot-Marie auf einen unbedeutenden Posten in der Provinz versetzt.

Und das Ausspionieren geht offenbar weiter: Es kann kein Zufall sein, dass kürzlich binnen zwei Tagen drei Journalisten der Zeitung »Le Monde«, des Nachrichtenmagazins »Le Point« und des Internetinformationsdienstes Médiapart die Computer bei Einbrüchen gestohlen wurden. Alle diese Journalisten hatten in der Affäre Bettencourt-Woerth recherchiert. Kommentatoren glauben, dass es weniger darum ging, den Wissensstand der Journalisten auszuforschen. Dafür haben die Dienste »Hacker«, die unbemerkt in die jeweiligen Computer eindringen und mitlesen können. Auch der Versuch einer Einschüchterung der Medien wäre verfehlt, denn die Redaktionen haben deutlich gemacht, dass sie zu ihren Journalisten stehen und dass sie sich mit allen juristischen Mitteln für den Schutz der Quellen einsetzen. Vielmehr ging es wohl darum, jene im Staatsapparat einzuschüchtern, die aus Empörung darüber, was sich hinter den Kulissen abspielt, den Journalisten »sensible« Informationen zuspielen.

Das stand offenbar auch im Zentrum einer Krisensitzung mit Vertretern aller zuständigen Ministerien und Dienste, die kürzlich bei Elysée-Generalsekretär Claude Guéant stattfand. Als danach »Le Monde« und andere Zeitungen schrieben, das Ausspionieren von Journalisten erfolge im Auftrag von Präsident Nicolas Sarkozy und unter unmittelbarer Anleitung seines engsten Beraters Guéant, gaben sich beide höchst empört und reichten Verleumdungsklagen ein. Vor Gericht freilich müsste das Elysée viele seiner Methoden offenlegen.

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