Aufstiegschancen in Rios Elendsvierteln

Berufsausbildung verleiht Jugendlichen in brasilianischen Favelas Zukunftsperspektiven

  • Lutz Taufer, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Partner des Weltfriedensdienstes CAMPO bietet in den Armutsvierteln von Rio Ausbildungsmöglichkeiten und damit Auftstiegschancen.
Rüstzeug in der Maurerausbildung: Hammer und Meißel
Rüstzeug in der Maurerausbildung: Hammer und Meißel

In der bitterarmen Region Itaúna, eine Autostunde vom Stadtzentrum Rios entfernt, herrscht dramatische Arbeitslosigkeit. Dort unterhält der Weltfriedensdienst zusammen mit der brasilianischen Organisation CAMPO das Projekt Vida Activa. Ziel ist es, den jugendlichen Bewohnern der Elendsviertel eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

Im Großraum Rio de Janeiro fehlen etwa 5000 ausgebildete Maurer und Elektriker. Aber den Kindern der Ärmsten nützt das nichts. Wer einen Beruf lernen möchte, der muss dafür zahlen. Das können die meisten Jugendlichen nicht. Dazu kommen gravierende Defizite in der Schulbildung. Arbeitgeber und Ausbilder setzen Fähigkeiten wie Schreiben und Lesen, Rechnen und die Beherrschung der portugiesischen Sprache voraus. Wer sich um eine Stelle als Kassiererin oder als Fliesenleger bewirbt, wird von der Firma nicht nur auf fachspezifische Kenntnisse, sondern auch in Mathematik und Portugiesisch geprüft. Dabei fallen viele durch, weil es in den Armutsvierteln nur sehr schlecht ausgestattete Schulen gibt.

Wir treffen Anderson (20) in der winzigen Behausung, in der er mit seiner Freundin lebt. »Schon als Kind habe ich immer versucht, den Erwachsenen bei der Arbeit was abzugucken«, erzählt er. »So habe ich vieles gelernt und kann damit ein bisschen was verdienen. Aber ich will eine systematische Ausbildung, mit einem Zeugnis. Ein guter Maurer hat Arbeit ohne Ende und verdient richtig Geld.« Jetzt nimmt er an zwei Kursen teil, die ENFOCO, eines von acht selbstverwalteten Favela-Zentren, veranstaltet. Es sind Berufsbildungskurse für Maurer und Fliesenleger. Viele Jugendliche aus der Favela sind auch nach fünf Jahren Schulbesuch noch fast Analphabeten, können gerade mal ihren Namen schreiben. Auf die delikate Frage, ob er lesen und schreiben könne, antwortet Anderson mit »Ja«.

Emilia, die Leiterin des Zentrums, fügt hinzu: »Alle Kurse haben einen allgemeinbildenden Teil, Bürgerrechte, Mathematik, Portugiesisch und einen theoretischen Teil. Da geht es zum Beispiel um Berechnungen, wie viel Zement und Steine zum Bau einer Mauer gebraucht werden, welcher Zement für eine tragende Decke oder eine Wand verwendet werden muss. Und es gibt einen praktischen Teil, bei dem alle Kursteilnehmer Berufserfahrung sammeln. Ohne Berufserfahrung hast du auf dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance.«

25 Leute haben sich für die Kurse eingeschrieben, vier davon Frauen. Eine ist Georgilda, 42 Jahre alt. Jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind, hat sie sich vorgenommen, Maurerin zu werden. Als Jugendliche hatte sie diese Chance nicht, berichtet Emilia. Und Anderson ergänzt: »Zwei meiner Kumpels haben noch vor Kursende eine feste Anstellung bei einer Firma bekommen. Einige machen den Kurs, um am Wochenende in gegenseitiger Nachbarschaftshilfe ein Häuschen zu bauen oder das Dach, bei dem es reinregnet, auszubessern. Auch ich mache hier und da einen Gelegenheitsjob.«

Seit 2003 sind unter der Regierung Luiz Inácio Lula da Silvas von der Arbeiterpartei PT sieben Prozent der Armen in den unteren Mittelstand aufgestiegen. Dies zu wissen, macht den Kursteilnehmern Mut. Lebensperspektiven werden greifbar. Bereits jetzt gibt es eine beträchtliche Warteliste für den nächsten Kurs.

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