Der Neue

Dieter Graumann ist neuer Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

Generationswechsel beim Zentralrat der Juden: Am Sonntag wurde der 60-jährige Dieter Graumann zum Nachfolger der bisherigen Präsidentin Charlotte Knobloch gewählt. Damit steht dem Zentralrat mit seinen 106 000 Mitgliedern nun erstmals ein Präsident vor, der die Schoah selbst nicht mehr erlebte. Dieter Graumann wurde 1950 geboren, demselben Jahr übrigens, in dem sich der Zentralrat gründete. Als Sohn polnischer Juden erblickte er in Israel des Licht der Welt. Doch bereits anderthalb Jahre nach seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Deutschland, weil sein Vater die nahöstliche Hitze nicht vertrug. Die Gefangenschaft in sechs Konzentrationslagern hatte seine Gesundheit nachhaltig geschädigt. Und so ließ sich die Familie Graumann in Frankfurt am Main nieder. In der Grundschule sei er das einzige jüdische Kind gewesen, erinnerte sich Graumann später. Alle anderen Mitschüler hätten Großeltern gehabt. Seine waren von den Nazis ermordet worden ...

Nach dem Abitur studierte er Volkswirtschaft und arbeitete bei der Bundesbank. Es sollte nur ein kurzes Intermezzo sein. Graumann ließ seinen Job bei der Bank nach zwei Jahren sausen und stieg ins Immobiliengeschäft ein. Lange Jahre leitete Graumann die jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main und amtierte seit 2006 als Vizepräsident des Zentralrates. Der zweifache Vater nahm dabei nie ein Blatt vor den Mund. So meinte Graumann kurz nach Gründung der LINKEN, die Partei stehe in der Tradition der SED. Und die habe im Nahen Osten »Blut an den Händen«, weil sie die Gegner Israels unterstützte. Später erneuerte er seine Kritik: Die Linkspartei sei »bestimmt nicht antisemitisch«, so Graumann, aber sie sei »eben doch extrem israelfeindlich eingestellt«.

Etwas mehr Fingerspitzengefühl wird er nun an den Tag legen müssen. Denn seine neue Aufgabe wird keine leichte sein. Der Zentralrat will Sprachrohr aller Juden sein. Dieser Alleinvertretungsanspruch bringt zahlreiche Probleme mit sich. Das Spektrum innerhalb der Gemeinden »ist weit gefächert«, wie es beim Zentralrat heißt. Egal ob streng orthodox oder liberal: Dieter Graumann wird für alle sprechen und dabei auf viele Befindlichkeiten Rücksicht nehmen müssen.

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