Nix los mit der sozialen Bewegung?

Der geringe Widerstand gegen die Sparpakete macht die außerparlamentarische Linke ratlos

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Etwa 3000 Menschen haben vergangenen Freitag in der Nähe des Berliner Reichstags gegen das Sparpaket der Bundesregierung protestiert. Ein Drittel davon Berliner Schüler, die sich den Protesten angeschlossen haben. Die von den beschlossenen Kürzungen am meisten betroffen sind, die Ärmsten der Gesellschaft, waren hingegen zu Hause geblieben. Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland schlägt deshalb eine politische Richtungsänderung vor. Statt der Betroffenen solle die Mittelschicht mobilisiert werden. Den sozialen Bewegungen müsse es gelingen, »exponierte Vertreter der bürgerlichen Mitte für das Anliegen der Deklassierten zu gewinnen, um die soziale Frage als das solidarisch verbindende Element weiter Teile unser Gesellschaft in den Vordergrund zu rücken, ohne sich von der bürgerlichen Mitte vereinnahmen zu lassen«.

Solche konkreten Vorschläge sind wenige Tage nach der Aktion in der Nähe des Bundestages noch selten. Die Ratlosigkeit ist bei vielen Aktivisten groß. Klar ist für viele nur, der heiße Herbst war kälter erwartet.

Das wurde auf einer Konferenz des bundesweiten Krisenprotestbündnisses in Berlin am vergangenen Wochenende deutlich. Dort wurde eine selbstkritische Analyse angemahnt. Man müsse darüber reden, warum es der sozialen Bewegung nicht gelungen sei, in diesem Herbst einen Punkt zu setzen, meinte Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe (ALSO). Die Organisation hatte mit einer bundesweiten Erwerbslosendemonstration am 10. Oktober die Proteste dieses Herbstes eingeläutet. Aber das Ziel, dass Erwerbslose überall da, wo sich Politiker der Hartz-IV-Parteien treffen, mit Kochtopf und Löffel Krach schlagen, sei bisher nicht erreicht worden, stellte Grüner fest.

Ein Gewerkschafter sieht in der veränderten wirtschaftlichen Situation einen Grund für die aktuelle Protestflaute. Vor einem Jahr habe kaum jemand für möglich gehalten, dass sich die Wirtschaft so schnell wieder erhole und der Anteil der Erwerbslosen und Kurzarbeiter zurückgehe.

Auch die linke Organisation Avanti sieht in der falschen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung einen Grund für den Misserfolg. »Kaum jemand hat damit gerechnet, dass die Bundesregierung binnen kurzer Zeit 480 Milliarden Euro mobilisieren würde und schon zwei Jahre nach dem Crash der Finanzwelt ein ›Jobwunder‹ und Wirtschaftswachstum verkünden könnte«, schreibt Avanti in einer Stellungnahme und kommt zu dem ernüchternden Fazit: »Bislang ist der Versuch, die ökonomische in eine politische Krise zu überführen, gescheitert.« Das trifft vor allem auf die Versuche zu, in den sozialen Protesten die Aktionsform der Blockade zu verankern. Eine für den 18. Oktober in Frankfurt am Main geplante Bankenblockade war von den Organisatoren wegen zu geringer Resonanz kurzfristig abgesagt worden. In Berlin scheiterte die »Bundestagsbelagerung« am Freitag ebenfalls.

Florian Wilde, Bundesvorstand des Studierendenverbandes Die Linke.SDS, betrachtet nicht nur in Deutschland die Krisenproteste mit Ernüchterung. »In vielen europäischen Nachbarländern gab es viel größeren Widerstand und auch Streiks. Aber die Verabschiedung der Spar- und Kürzungsbeschlüsse konnte in keinem Land verhindert werden.«

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