Wikileaks plant schon einen neuen Coup

Obama schickt Clinton zur Schadensbegrenzung / Bundesdatenschützer warnt vor Sammelsucht

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
»Rücksichtslos«, »gefährlich«, »äußerst suspekt«, eine »Form von Totalitarismus«. Die Reaktionen auf die Wikileaks-Veröffentlichungen aus dem Bereich des US-Außenministeriums – kurz Cablegate genannt – sind so global wie vielfältig.

US-Präsident Barack Obama schickte seine Außenministerin Hillary Clinton vor. Sie soll den wachsenden Schaden begrenzen, der durch die Veröffentlichung der zum Teil respektlosen Äußerungen von US-Diplomaten über führende Politiker anderer Staaten sowie durch die Offenlegung von US-Hegemonieplänen entstanden ist. Clinton kündigte »aggressive Schritte« an, um jene zur Rechenschaft zu ziehen, die diese Informationen gestohlen hätten.

Der US-Präsident dagegen bleibt in Deckung. Ein Sprecher bewertete die fortlaufenden Wikileaks-Veröffentlichungen der über 250 000 Dokumente als »rücksichtslos« und »gefährlich«. Das Datenleck kommt für Obama zur Unzeit. Neben innenpolitischen Kontroversen und einer lahmenden Wirtschaft muss er sich nun auch in der Außenpolitik auf zahlreiche neue Fronten einstellen. Das Verhältnis zwischen Nordkorea und dem mit den USA verbündeten Süden ist gespannt, mit China, das sich hinter Nordkorea stellt, gibt es Währungsdifferenzen. Der Krieg in Afghanistan entwickelt sich nicht zu Gunsten des Westen, die Neuauflage des Abrüstungsvertrags mit Russland könnte im Kongress an den Republikanern scheitern.

Iran, gegen das in den Dokumenten Kriegsdrohungen aus Israel und Saudi-Arabien geäußert werden, hat die Wikileaks-Enthüllungen als Teil einer gut organisierten Verschwörung zurückgewiesen. Die Angaben seien »äußerst suspekt«. Sie zielten hauptsächlich darauf, angebliche regionale Besorgnisse wegen des iranischen Atomprogramms herauszustellen, sagte Teherans Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast. Die Dokumente, so zitiert ihn dpa, »wurden wahrscheinlich von westlichen und US-Geheimdiensten fabriziert«.

Die US-Depeschen sind »der letzte Grad der Unverantwortlichkeit«, so Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Innenminister Brice Hortefeux gab zu Protokoll: »Manchmal kann Transparenz auch eine Form des Totalitarismus sein.« »Senora Clinton sollte zurücktreten.« Das sei das Beste, »was diese Dame und die Delinquenten im State Department« tun können, anstatt von einem Informationsraub zu sprechen, sagte Venezuelas Staatschef Hugo Chávez.

Während sich gestern Politiker aller großen deutschen Parteien mit Äußerungen auffallend zurückhielten, forderte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ein radikales Umdenken bei der Speicherung persönlicher Daten. Die seit den Anschlägen am 11. 9. 2001 vor allem in den USA grassierende »Datensammelsucht« sei »ein Risikofaktor, der kaum zu beherrschen ist«. Dirk Engling, Sprecher des Chaos Computer Club, sagte in MDR Info, er teile Schaars Befürchtungen. »Man denke sich nur, dass der gesamte Datensatz, der jetzt bei Wikileaks veröffentlicht worden ist, auf eine SD-Karte von der Größe eines Fingernagels passt.«

Während nach und nach noch weitere »Cablegate«-Dokumente zu erwarten sind, kündigte Wikileaks-Gründer Julian Assange schon den nächsten Coup an. Im Frühjahr werden Daten einer US-Großbank veröffentlicht, sagte er im US-Magazin »Forbes«. Das Material berge »ungeheuerliche Übertretungen« und »unethische Praktiken«.

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