Strippenzieher unter der Lupe
»Worst-EU-Lobby-Award« geht in diesem Jahr an RWE-Tochter und Bankenlobbygruppe ISDA
Schätzungsweise 10 500 Lobbyisten vertreten in Brüssel Wirtschaftsverbände und Unternehmen und nehmen Einfluss auf die Entscheidungen der EU. Die EU-Kommission gewährt ihnen häufig bevorzugten Zugang zu Entscheidungsprozessen oder Expertengruppen. Dass die Klimagipfel in Kopenhagen und Bonn scheiterten, sei ebenso auf diese Lobbyarbeit zurückzuführen wie die fehlenden Reformen der Finanzmärkte: »Beides zeigt die mächtigen Strategien der Wirtschaft, wenn es um profitorientiertes Lobbying zu Lasten klima- und verbraucherfreundlicher Regulierung geht«, erklärten die Organisatoren.
Besonders negativ aufgefallen sind dabei die Praktiken der erstplatzierten britischen RWE-Tochter npower, »weil sie sich ein umweltfreundliches Image verpasst, aber gleichzeitig alle Hebel in Bewegung setzt, um ihre schmutzigen Kraftwerke weiter zu betreiben«, so Nina Katzemich, Sprecherin der Organisatoren. Besonders die EU-Richtlinie zur Beschränkung von Industrieemissionen hätte für RWE npower bedeutet, dass sie mehrere Kohle- und Öl-Kraftwerke in Großbritannien vom Netz nehmen oder zügig hätte modernisieren müssen. Die Lobbyarbeit – unter anderem malte man gemeinsam mit dem deutschen Energiekonzern E.on Horrorszenarien von landesweiten »Versorgungslücken« an die Wand – hatte Erfolg: Kohlekraftwerke z.B. müssen nun der im Sommer 2010 verabschiedeten Richtlinie zufolge ihre Emission nicht eindämmen, solange sie garantiert bis 2023 abgeschaltet werden – deutlich später als ursprünglich geplant. Zugleich gibt sich RWE seit Jahren ein grünes Image mit Kampagnen und verschiedenen kleinen Modellprojekten im Bereich Nachhaltigkeit und erneuerbaren Energien.
In der Kategorie Finanzen geht der Preis an die Lobbygruppe International Swaps and Derivatives Association (ISDA), zu der das Investmentunternehmen Goldman Sachs und die Deutsche Bank gehören. Die Gruppe hätte besonders die Regulierungen für umstrittene Derivate verhindert, die in der Lebensmittelkrise 2008 und in der jetzigen Eurokrise eine Schlüsselrolle innehaben. ISDA drängte die EU-Kommission zu einer »Derivaten-Expertengruppe«, die sich größtenteils aus ihren eigenen Mitgliedern zusammensetzte. Auch die Großbank Goldman Sachs, die gedroht hatte, Regulierung würde sie aus Europa vertreiben, bekam ihren Platz in der Expertengruppe. »Damit hat die ISDA ihren privilegierten Zugang zur EU-Kommission und ihre Funktion als angeblich neutrale Beraterin in Expertengruppen weidlich für ihre Zwecke ausgenutzt«, so Katzemich.
Der »Worst EU Lobbying Award« wurde im Jahr 2005 auf Initiative von vier Organisationen ins Leben gerufen – Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, LobbyControl und Spinwatch. Die Organisationen fordern ein verpflichtendes Transparenz- und Ethikregelwerk für Lobbying auf EU-Ebene.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.