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Lasst Taten sehen
15 Parteien waren es, die 2004 die Partei der Europäischen Linken aus der Taufe gehoben haben. Heute gehören ihr 37 Mitgliedsparteien und Beobachterinnen an, was sie zu einem wichtigen Referenzpunkt der Linken macht. Mit ihrem dritten Parteitag, zu dem die EL an diesem Wochenende in Paris zusammengekommen ist, steht die Partei nun vor ihrer ersten wirklichen Bewährungsprobe.
Europa ist heute Schauplatz eines erbitterten Sozialkampfes. Nicht minder heftig ist das geistige Ringen um richtige Interpretationen und mögliche Auswege aus der Krise. Im Hauptdokument des EL-Kongresses, der »Agenda für ein soziales Europa«, werden die entscheidenden Punkte benannt: Arbeitslosigkeit, Armut und Prekarität sowie die Gefahren, die vom Anwachsen des Nationalismus und der Fremdenfeindlichkeit für die Demokratie ausgehen. Aufgerufen wird, dazu beizutragen, dass die Bewegungen vom Widerstand zur politischen Alternative übergehen, was einen Kampf um die Veränderung der europäischen Politik und die Demokratisierung der Institutionen einschließt.
Europa braucht die Linke nicht weniger, als die Linke Europa braucht. Das ergibt sich aus der Existenz der EU, vor allem aber aus der Entwicklung des Kapitalismus, deren Ausdruck sie ist: der Transnationalisierung des Kapitals und dem Entstehen globaler Finanzmärkte. Durch die EU wurden die einzelnen Staaten als Schauplätze sozialer und politischer Kämpfe aber nicht entwertet. Die Europäisierung der Politik wird niemals Ersatz für nationalen Einfluss und Handlungsfähigkeit linker Parteien sein. Doch wie politische Rückschläge in den vergangenen Jahren zeigen, werden die Erfolgsaussichten linker Projekte immer mehr von der Fähigkeit zur internationalen und europäischen Koordinierung bestimmt. Hier liegt eine der entscheidenden Schwächen der Europäischen Linken.
Man kann aus dieser Not keine Tugend machen: ein möglicher Kollaps von Euro oder EU würde die Linke nicht in eine strategisch günstigere Position bringen. Es bliebe die Diktatur der Finanzmärkte bestehen, aber dem Nationalismus würden die Schleusen geöffnet. Die Renationalisierung Europas würde so zur Stunde der Rechten, nicht der Linken.
Die Verteidigung des europäischen Sozialmodells findet zudem in einem geänderten globalen Szenarium statt. Sie verknüpft sich mit neuen Konfliktlinien, wie sie auch auf der Weltklimakonferenz in Cancún deutlich werden. Die Dynamik geht dabei vom Süden und seinem Anspruch auf globale soziale Gerechtigkeit aus. Damit sind neue Grenzen des herrschenden zivilisatorischen Systems markiert. Die notwendige Transformation der Gesellschaften muss über die Überwindung der Profitlogik zu einer neuen Konsum- und Lebensweise führen, und zwar im globalen Maßstab. Nur eine so verstandene Kritik des Kapitalismus steht auf der Höhe der Zeit.
Inhaltlich bewegt sich die Europapartei der Linken in die richtige Richtung. Die vom Kongress gewählte neue Führung wird ihr aber eine stärkere europäische Sichtbarkeit verleihen müssen. Das setzt vor allem den Willen und das Engagement der Mitgliedsparteien voraus. So bleibt dem Kongress ein positiver Ausgang mit einem Wort aus Goethes »Faust« zu wünschen: »Der Worte sind genug gewechselt, Lasst mich auch endlich Taten sehn!«
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