Jahrmarkt in La Défense

In Paris fand am Wochenende der 3. Kongress der Partei der Europäischen Linken statt / Sechs Jahre nach ihrer Gründung ist die Europäische Linkspartei noch immer auf der Suche nach sich selbst

Es wurde viel geredet auf dem Kongress der Europäischen Linken. Die Krise wurde beschrieben, Grußbotschaften wurden verlesen, Forderungen an die Regierungen und die EU erhoben. Nur an realistischen Alternativen mangelte es.
Der neue EL-Vorsitzende Pierre Laurent auf dem Kongress in Paris
Der neue EL-Vorsitzende Pierre Laurent auf dem Kongress in Paris

Wer wollte, konnte selbst auf dem Parteitag der Europäischen Linken (EL) etwas in Adventsstimmung verfallen. In den Boutiquen vor dem Eingang des Kongresszentrums im futuristischen Pariser Stadtteil La Défense machten Heerscharen von Menschen ihre Weihnachtseinkäufe. Und ab und an zog vom nahen Weihnachtsmarkt vor dem hypermodernen Triumphbogen der Duft von Glühwein und gerösteten Maronen bis vor den Konferenzsaal.

Drinnen jedoch herrschte vorwiegend kämpferische Atmosphäre. Kaum eine Rednerin oder ein Redner, der nicht auf die globale Wirtschafts- und Finanzkrise einging. Von Portugal bis Belarus, von Finnland bis Italien herrschte Einigkeit darüber, dass deren Wurzeln in der neoliberalen Ausrichtung des Kapitalismus liegen und dass das bestehende System in Europa geändert werden müsse. Ein ganzes Sammelsurium von Ergänzungen zum Aktionsprogramm und Entschließungen zu Problemen quer durch Europa und die Welt wurde von den Delegation feilgeboten, niemand wollte offensichtlich mit leeren Händen dastehen. Als großen Wert an sich bezeichnete Klaus Ernst, Co-Vorsitzender der deutschen LINKEN, vor diesem Hintergrund die Existenz der EL. Darauf müsse in der praktischen Politik aufgebaut werden.

Allerdings ist gerade die Praxis der Pferdefuß der Europäischen Linken. In dem in Paris angenommen Aktionsprogramm finden sich zahlreiche Vorschläge für die Änderung des »Systems Europa«. Nur werden Punkte wie die Umgestaltung der Europäischen Zentralbank auf Grundlage sozialer Kriterien, die Besteuerung von spekulativen Finanztransaktionen, die Beseitigung von Steueroasen und die Einführung von europaweiten Mindestlöhnen von mindestens 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns von der Europäischen Linken allein nicht durchzusetzen sein.

Die Vertreter des Kapitals nutzen die Krise, um Angst zu säen und die Menschen gefügig zu machen, erklärte in der Diskussion Mireia Rovira von der Spanischen KP. Sie bedauerte, dass die Europäische Linke »noch nicht der Anlaufpunkt der Enttäuschten in Europa ist«. Die Partei müsse sich auf die Themen Sozialabbau und Demokratiedefizite konzentrieren und hier eine grundlegend andere Politik in Europa fordern und durchzusetzen helfen.

Noch ist die EL nicht in der Lage oder bereit, nicht nur gemeinsam zu diskutieren, sondern auch tatsächlich gemeinsam zu handeln. Während einige der 37 Mitglieds- und Beobachterparteien sich auf den theoretischen Austausch beschränken möchten, wollen andere eine Art Richtlinienkompetenz der EL – was gerade von osteuropäischen Parteien mit Verweis auf die jahrzehntelange Bevormundung durch Moskau kritisch gesehen wird. Wieder andere sehen konkrete gemeinsame Aktionen als Hauptaufgabe der Europäischen Linken.

Auch Diether Dehm, neuer Schatzmeister der EL und europapolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag, sieht konkrete Aktionen als wichtiges Mittel, um in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden. So könnte sich die Partei mit Veranstaltungen an einem möglichen Präsidentschaftswahlkampf des Vorsitzenden der französischen Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, beteiligen. »Die europäische Linkspartei ist noch zu sehr eine bürokratistische Bauchnabelschau und noch zu wenig eine Partei des lebendigen Klassenkampfs«, so Dehm gegenüber ND.

Lothar Bisky war in seiner Abschlussrede mit seinen Genossinnen und Genossen ebenfalls hart ins Gericht gegangen. »Die Europäische Linke muss sich entscheiden, ob sie ihre Beziehungsprobleme als Chance begreift oder unter den Teppich kehrt«, erklärte der bisherige EL-Vorsitzende. Die Differenzen – die nicht zuletzt in in der grundsätzlichen Frage liegen, wie sich die Linke zur EU verhält und ob sie im System oder gegen dieses agieren soll – müssten nicht nur ausgehalten, sondern genutzt werden: »Ganz ohne einen Windhauch, der durch die Europäische Linke weht, wird das nicht gehen«, mahnte Bisky den berühmten Ruck an. Am Sonntagmittag, kurz vor der Neuwahl der EL-Führung, dankte der Kongress Bisky für seine zweijährige Arbeit an der Parteispitze mit Applaus – da hatte er Paris bereits verlassen.

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