Streit um das Wasser des Nils
Scharfe Töne im Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten um Kontrolle der Ressourcen
Einen Krieg um die Kontrolle des Nilwassers könne Ägypten gegen Äthiopien nie gewinnen, sagte Zenawi. Wenn Ägypten Probleme um den Nil lösen wolle, solle es das »in einem zivilen Dialog« tun und nicht durch Waffenlieferungen an Rebellen. Allerdings rechne er nicht damit, dass ägyptische Truppen von einem Tag auf den nächsten in Äthiopien einmarschieren würden, wie manche Skeptiker es schon voraussagen.
Ägypten reagierte überrascht auf die scharfen Töne aus Addis Abeba. Man habe nicht vor, mit Äthiopien einen Krieg wegen des Nils zu führen, sagte Außenminister Ahmed Aboul Gheit. Er wundere sich sehr über den äthiopischen Ministerpräsidenten. Eine wie auch immer geartete Unterstützung für äthiopische Rebellen durch Ägypten sei frei erfunden.
Die ägyptische Tageszeitung »Al Masr al Youm« kommentierte, Zenawi wolle sich mit seiner Behauptung bei Israel einschmeicheln. Israel ist, teilweise in Kooperation mit der Bundesregierung, seit Jahren im Wasser- und Stromsektor Äthiopiens engagiert. Zenawi wolle rund 10 000 Falascha (Äthiopier jüdischen Glaubens) nach Israel aussiedeln, schrieb die genannte Zeitung. Dank seinem scharfen Angriff gegen die ägyptische Führung hoffe er auf israelische Zustimmung. Gleichzeitig wolle Zenawi von seiner schwindenden innenpolitischen Autorität gegenüber verschiedenen Oppositionsgruppen ablenken. Er habe die »Wasserkarte« gezogen, bei der alle Seiten an einem Strang gegen Ägypten zögen.
Auch wenn Meles Zenawi die »Wasserkarte« aus innenpolitischen Gründen gezogen haben mag: Seit Jahren verschärft sich der Streit um die Nutzung des Nilwassers zwischen den Anrainern. Gemäß einem 1929 unterzeichneten Vertrag über die Nutzung von 84 Milliarden Kubikmeter Wasser durch die Anliegerstaaten sicherte sich Ägypten – mit Unterstützung der damaligen Kolonialmacht Großbritannien – mit 55,5 Milliarden Kubikmeter den Löwenanteil und ein Vetorecht gegen jegliche Bauprojekte am oberen Nil. Die dort liegenden Länder wurden zu dem Vertrag nicht befragt. Neun Staaten liegen am Nil, der sich von seinen Quellen um den Viktoria-See in Tansania über 6700 Kilometer bis zur Mündung ins Mittelmeer erstreckt.
Die 80 Millionen Ägypter sind komplett vom Nil abhängig. Infolge des weltweiten Klimawandels haben jedoch alle Nil-Anrainerstaaten seit Jahren mit massiver Trockenheit zu kämpfen. Ägypten beobachtet alle Bauprojekte am oberen Nil mit Argusaugen. Erstmals war es 2004 zu einem offenen Konflikt gekommen, als Tansania einen 100 Meilen langen Kanal bauen wollte, um Wasser aus dem Viktoriasee in den Nordwesten des Landes zu führen. Mit westlicher Unterstützung hat Äthiopien in den letzten zehn Jahren fünf Dämme errichtet. Derzeit wird dort für 1,4 Milliarden US-Dollar ein neues Wasserkraftwerk gebaut.
Nach zehnjähriger ergebnisloser Debatte unter den Anrainerstaaten fanden sich Äthiopien, Uganda, Tansania, Ruanda und Kenia im Mai dieses Jahres zusammen, um die Nutzung des Nilwassers neu zu regeln. Den Vertrag von 1929 lehnen sie als »koloniales Projekt« ab. Ihre neue Vereinbarung begründeten sie mit Erfordernissen der »nationalen Sicherheit«. Ägypten und Sudan sollen demnach in Zukunft zusammen nicht mehr als 75 Prozent des Nilwassers nutzen dürfen, derzeit sind es mehr als 86 Prozent. Die beiden Staaten am Unterlauf lehnen diese Vereinbarung jedoch ab, während die Demokratische Republik Kongo und Burundi noch unentschieden sind. Die fünf Unterzeichnerstaaten des neuen Projekts haben den anderen vier Staaten ein Jahr Zeit gegeben, um sich der Vereinbarung anzuschließen.
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