Regierung meldet Planerfüllung
Sachsen-Anhalts LINKE sieht das ganz anders
Als alles Selbstlob verteilt ist und die Minister des schwarz-roten Regierungsbündnisses in Magdeburg sich gestern bei einer Abschlussbilanz der Wahlperiode selbst ihren Lorbeer angeheftet haben, wird Wolfgang Böhmer gefragt, ob es Aufgaben gebe, die am Ende der Legislatur unerledigt blieben. »Ich hatte auch Hoffnungen, Wünsche und Illusionen«, sagt der 74-jährige Regierungschef, der in drei Monaten in Rente geht. Er habe gehofft, dass die Wanderungsbilanz ausgeglichen wird. Noch immer aber ziehen mehr Menschen aus Sachsen-Anhalt weg, als in das Land kommen. Der CDU-Mann weiß, woran das liegt. »Das Tarifgefälle«, räumt er ein, »ist manchmal zu groß.«
Land der Niedriglöhne
Damit hat Böhmer den Nagel auf den Kopf getroffen und das größte Versäumnis seiner Regierung benannt, sagt LINKE-Fraktionschef Wulf Gallert. Während das CDU/SPD-Kabinett sich gestern dafür auf die Schulter klopfte, dass der Koalitionsvertrag »nahezu vollständig abgearbeitet« worden sei, kritisiert Gallert, das 2006 ausgehandelte Papier habe ausgerechnet zur Frage der Entwicklung der Einkommen von vornherein »keine definitive Festlegung« getroffen – und auch danach habe das Thema für die Koalition »keine wirkliche Rolle gespielt«.
Das hat Folgen. Zwar lobt CDU-Wirtschaftsminister Reiner Haseloff, der Böhmer bei der Wahl am 20. März beerben will, den Rückgang der Arbeitslosigkeit: Während die Quote 2005 noch bei 20 Prozent gelegen habe, waren es im November gerade noch 10,8 Prozent. Doch viele Arbeitsplätze werfen nur wenig Lohn ab. Der Anteil der Teilzeitjobs sei von 13 auf 19 Prozent gestiegen, moniert Gallert; zudem würden gerade in diesem Bereich Niedriglöhne unter dem Durchschnitt Ost gezahlt.
Es dürfte genau dieses Thema sein, das im nun anlaufenden Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen wird. Seit Wochen wird die LINKE, die sich anschickt, die CDU als stärkste Partei abzulösen, nicht müde, auf Versäumnisse Haseloffs hinzuweisen, unter dessen Ägide als Minister Sachsen-Anhalt zum »Niedriglohnland Nummer eins« geworden sei. Haseloff hat den Ball derweil aufgenommen und plädiert immer öfter für Mindestlöhne – allerdings nicht vom Staat vorgegebene, sondern von den Tarifparteien ausgehandelte. Ein Vergabegesetz freilich, das derlei Löhne befördern würde, war mit der CDU nicht zu beschließen, kritisiert inzwischen auch die SPD.
Lob für Abweichler
Deren Spitzenmann im Wahlkampf, Finanzminister Jens Bullerjahn, rechnet es zu den größten Leistungen der Koalition, die Kassenlage des Landes stabilisiert zu haben. Zumindest 2007 bis 2009 seien keine neuen Kredite aufgenommen worden. Ursprünglich hatte Bullerjahn gleiches jedoch auch für 2010 geplant.
Gallert, der ab März regieren will und dafür ein Bündnis mit der SPD eingehen müsste, lobt Bullerjahn – und zwar just dafür, dass er diesem Vorhaben untreu wurde: Er sei in der Krise »von der Konsolidierungslogik abgewichen« und habe dem Land so drastische Kürzungen erspart.
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