»Mutter Erde« erhält in Bolivien Rechtsstatus

Gesetz für den Ausgleich zwischen Natur und Mensch erlassen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.

Wortgewaltig strickt Boliviens Linksregierung an ihrem grünen Umweltimage. Rechtzeitig vorm großen Finale des UN-Klimagipfels im mexikanischen Cancún hat das Parlament im Eilverfahren ein Umweltschutzgesetz verabschiedet, das die »Pachamama« (Aymara: Mutter Erde) als eigenständiges Rechtssubjekt anerkennt.

Boliviens Vizepräsident Álvaro García Linera spricht von einem epochalen Ereignis: »Zum ersten Mal auf der Welt«, sagt der Chefideologe der regierenden Bewegung zum Sozialismus (MAS), werde »das Verhältnis zwischen Mensch und Natur auf die Grundlage von Ursprünglichkeit, Gegenseitigkeit und Dialog« gestellt. Was Linera so euphorisch werden lässt, ist das »Gesetz Mutter Erde«. Das lege den rechtlichen Grundstein, um ein »Wiedertreffen von Gesellschaft und Natur« zu befördern, erklärte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im Palacio Quemado von La Paz. »Die Natur kann ohne den Menschen leben, der Mensch aber kann nichts machen ohne die Natur«, führte Linera aus und dankte der Zwei-Drittel-Mehrheit der MAS-Parlamentarier für ihre Zustimmung zu einer Norm, die »eine Epoche markiert und auf der ganzen Welt Geschichte machen wird«.

Auf internationalem Parkett forderte Präsident Evo Morales am Donnerstag in Cancún ein UN-Tribunal für »Klimagerechtigkeit«, eine »Allianz von Regierungen und Völkern« und den Verzicht auf »Luxus und Verschwendung«.

Morales, der »Architekt des juristischen Instruments«, wie Linera sagt, muss nach seiner Rückkehr aus Mexiko seine Unterschrift unter die Vorlage setzen, damit das Gesetz in Kraft tritt. Der deklaratorische Charakter lässt konkrete Folgen für Wirtschaft und Politik noch im Unklaren, konkrete Ausführungsgesetze würden jedoch rasch folgen, hieß es in La Paz.

Sicher ist die Schaffung einer staatlichen Behörde zur »Verteidigung der Mutter Erde«. Neben dem bereits bestehenden Vize-Ministerium für Umwelt und Wasser soll sie über »Gültigkeit, Förderung, Bekanntmachung und Einhaltung der Rechte der Mutter Natur« wachen. Umweltschutz sei nun Teil der Staatspolitik, erläutert MAS-Abgeordnete Rebeca Delgado die Funktion der neuen Instanz. »Wie bei einem Menschen«, so Delgado, soll die Behörde verhindern, dass »die Rechte der Mutter Natur und des Lebens verletzt werden«.

Anderen Entwicklungsländern soll das Gesetz, das die »Mutter Erde« mit garantierten Rechten auf Leben, Wasser, saubere Luft, Gleichgewicht, Erholung und Schutz vor Verschmutzung als ein Gut der Allgemeinheit definiert, alsVorbild dienen, erklärte Parlamentspräsident Héctor Arce. In Bolivien sei es die Pflicht des Staates, diese Umweltrechte in öffentlichen Vorhaben nun systematisch umzusetzen. Dafür schreibt die Norm die »Entwicklung von ausgeglichenen Produktionsformen und Konsumstandards« vor, die die »regenerativen Fähigkeiten und die Lebensabläufe« der Natur bewahren. In der Landwirtschaft etwa sollen ausgelaugte Böden zwei Jahre brach liegen.

Die Regierung verpflichtet die Norm dazu, die internationale Staatengemeinschaft zur Begleichung ihrer »Umweltschuld« zu drängen, etwa durch die Finanzierung und den Transfer von effektiveren und umweltverträglicheren Technologien. Neben der Förderung des Friedens wird zur Abschaffung aller ABC-Waffen aufgerufen.

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