Friedfertige Demonstranten dürfen nicht gefilmt werden

Urteil zum Demonstrationsrecht

  • Lesedauer: 2 Min.
Seit Jahren lassen Polizisten bei Demonstrationen Kameras mitlaufen. Wenn die Lage eskaliert, drücken sie die Aufnahmetaste. Atomgegner aus Nordrhein-Westfalen haben gegen diese Praxis geklagt und gewonnen. Die Polizei darf eine friedliche Kundgebung von Atomgegnern nicht filmen, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in einem am 29. November 2010 veröffentlichten Beschluss.
Alltagsbild: Polizei setzt Videokameras ein.
Alltagsbild: Polizei setzt Videokameras ein.

Auch wenn die Szenen nur in ein Einsatzfahrzeug übertragen und noch nicht aufgezeichnet werden, sei das Vorgehen ein rechtswidriger Eingriff in Grundrechte. »Bürger hätten aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an der Versammlung abgeschreckt werden können«, heißt es in der Entscheidung zum Demonstrationsrecht. Außerdem hätten sich die Teilnehmer überwacht und eingeschüchtert fühlen können.

Konkret ging es um eine Kundgebung »Urantransporte stoppen«, zu der sich vor zwei Jahren vor dem Hauptbahnhof in Münster 40 bis 70 Menschen versammelt hatten. Dort sei die ganze Zeit über der Kamerawagen der Polizei nur wenige Meter vor der Gruppe hergefahren. Einige der Demonstranten klagten gegen das Filmen der Polizei.

Die Polizei musste bereits in erster Instanz eine Niederlage einstecken. Denn das Verwaltungsgericht Münster hatte die Videoaufnahmen am 21. August 2009 für illegal erklärt. Das Oberverwaltungsgericht Münster lehnte die Berufung ab.

Polizisten lassen die Kamera laufen, um im Notfall mitzuschneiden. Die Vorschriften lassen aber nur Videobeobachtung von Gewalttätern zu, wie es in der jetzigen OVG-Entscheidung heißt. Eine Lösung wäre es demnach gewesen, wenn »eine im Stand-by-Modus geschaltete Kamera erkennbar von der Versammlung abgewendet worden wäre«, so das OVG. Bei Bedarf hätte die Kamera dann in Sekunden auf Gewalttäter gerichtet werden können.

Anti-Atom-Initiativen sehen sich bestätigt. Dies sei bundesweit die erste OVG-Entscheidung zu polizeilicher Videobeobachtung auf Demonstrationen, sagte Felix Ruwe von der Initiative »Kein Atommüll in Ahaus«. »Immer wieder filmt die Polizei auf Demos, ohne dass Teilnehmer erkennen können, was mit den Aufnahmen nachher passiert.«

Als »wirklichkeitsfremd« kritisierte die Gewerkschaft der Polizei NRW die Entscheidung. Das Demonstrationsrecht sei ein hohes Gut. Die Polizei müsse aber die Chance haben, Straftäter zu verfolgen. Die Erfahrung zeige, dass es immer wieder gewaltsame Übergriffe bei Demos gebe. Die Beamten müssten Beweise sichern können, wenn es Anhaltspunkte gebe, dass es zu Gewalt kommt.

Es hat bereits mehrere Prozesse in niederen Instanzen gegeben, die die permanente Videoüberwachung an öffentlichen Orten wie Museen oder Autobahnen als unzulässig erklärten. Erst im Juli 2010 hatte das Verwaltungsgericht Berlin Videoaufnahmen der Polizei bei einer Anti-Atomkraft-Demonstration im September 2009 als rechtswidrig eingestuft, weil für das Filmen friedlicher Demonstranten jede Rechtsgrundlage fehle.

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, Az. 5A 2288/09

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