Waghalsig, elegant, besinnlich
Das Tempodrom beherbergt Roncallis siebten »Weihnachtscircus«
Weihnachtlich illuminiert ist das Tempodrom: Christbäume mit Funkelstern flankieren das Orchesterpodium. Darunter geben sich im Manegenrund 17 Darbietungen von einem Dutzend hochkarätiger Einzelartisten respektive Truppen aus aller Welt die Stafette bester Unterhaltung in die Hand. Roncalli wäre indes auch in seiner siebten Weihnachtsshow nicht Roncalli, gäbe es nicht ebenso besinnliche, ans Herz rührende Momente, die den Zauber des Zirkus fühlbar machen. Der Premierenjubel bestätigt wieder Firmeneigner Bernhard Pauls Konzept.
Allrounder René Bazinet aus Kanada, weißhaariger Elegant mit Frack und Stock, eröffnet singend das »Winter Wonderland«, ehe sich die Drehfiguren in der roten Manege beleben. Und gleich wird’s puppig bunt. Unter ihrer kleinen Dompteuse vollführen die Nikulin Dogs Kunststücke, apportieren, springen Seil, schlagen Salti. In den Pudelkostümen stecken quicklebendige Akrobaten einer Moskauer Kindertruppe und heimsen Applaus ein.
Echte Tiere präsentiert das Duo Casselly aus Italien. Auf einem Gespann aus Rappe und Schimmel hebt der Mann seine Partnerin zum Zwei-Mann-Hoch, wirbelt sie um seinen Hals, fängt sie aus der Lufttour. Edle Schule auf wackligem Grund. Ein indischer Fakir zeigt, woraus die Welt besteht: Seifenblasen, leider nicht so schillernd schönen, wie er sie seinem Krug entlockt. Schillernd auch die Hebeartistik von Antoine & Aurore. Zu Gershwins »Summertime« gestaltet das junge französische Paar angejazzt und höchst präzise ein auch kämpferisches Liebesspiel mit Fangwürfen und Hand-auf-Hand einhändig. Hierhin entwickelt sich die Artistik: veritable Tricks, verpackt in originelle Show. Das bieten auch die Romashovs auf ihren zwei russischen Schaukeln. An den exakt gestreckten Körpern beim gewagten Flug von einer schwingenden Landebahn zur anderen hätte jeder Juror bei Olympia seine Freude; man hält den Atem an, wie sicher die Artisten aus dem Doppelsalto auf der anderen Seite ankommen, einzeln oder im Wechsel. Höhepunkt ist der Hechter durch einen brennenden Reifen.
Höhepunkte sind ebenso die Auftritte der Amüsierer mit beiden Beinen auf dem Manegenboden. Das Brüderpaar Les Rossyann, Yann als Weißclown in Glitzerpracht, Hector als Depp mit den großen Schuhen, ist in der Vielfalt der Musikalnummern vom charmanten Bouquet französischer Chansons bis zum gequietschten »Nabucco«-Chor einzigartig. René Bazinet hingegen punktet als Pantomime und Geräuschkünstler, der Zuschauer ins Rund holt und sie zu Ulk der Sonderklasse animiert.
Die Rivalität zweier Männer um eine Frau wird bei Catwall Trampo zum rasanten Springspaß, der vom Trampolin eine Hauswand hinaufführt, in Fenster hinein und schließlich mutig bis aufs Dach.
Mit zwei Darbietungen ist die Hebei-Truppe aus China vertreten. Fünf Mädchen auf Hochrädern werfen sich anmutig ihre Suppenschüsseln zu und fangen sie auf dem Kopf. Ihre männlichen Kollegen brillieren an chinesischen Masten: Die vier Untermänner tragen sie auf den Schultern, wenn die Springer von Mast zu Mast setzen und sich dort nur mit den Beinen verklammern. Waghalsig: Die Untermänner balancieren auf rollenden Kugeln. Bietet Glen Nicolodi Handstandgang auf einer Treppe, witzig assistiert von seinem Terrier, besticht der Tarzan-Jane-Act des Duos Bobrov am schwingenden Vertikalseil durch Risiko und Schönheit. Die Auszeichnung mit dem Silbernen Clown beim internationalen Zirkusfestival in Monaco ist mehr als verdient.
Bis 2.1., Tempodrom, Anhalter Bahnhof, Kreuzberg, Kartentelefon 018 05 - 57 00 99, Infos unter www.roncalli.de
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