NPD setzt erneut auf die Opferrolle
SPD-Bürgermeister kandidiert für Rechte
Da ist wohl einiges durcheinander gekommen bei Hans Püschel. Er wolle sich »nicht für eine demokratiefeindliche, im Untergang begriffene Partei engagieren«, sagt der Mann, der seit Jahren Bürgermeister von Krauschwitz im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis ist. Und was ist die Konsequenz aus dieser Einsicht? Der 62-Jährige wirft sein SPD-Parteibuch hin – und geht bei der Landtagswahl am 20. März für die NPD ins Rennen, eine Partei also, die für demokratische Institutionen allenfalls Häme übrig hat.
Vier Wochen hatte die Causa Püschel in der SPD, in Sachsen-Anhalt und weit darüber hinaus für Aufsehen gesorgt. Anfang November hatte der Genosse, der zu den Mitbegründern der Partei im Land gehörte, den Bundesparteitag der NPD in Hohenmölsen besucht, dort dem Fahnenmarsch applaudiert, den Reden gelauscht und sich danach sehr angetan gezeigt: Er habe nichts gehört, was nicht auch auf einen SPD-Parteitag gepasst hätte. Jeden Verdacht, es handle sich um eine vorübergehende Verirrung, entkräftete er durch ein langes Interview für ein rechtsextremes Internetportal. Inzwischen erklärt er, etliche Ziele der NPD lägen »ganz auf meiner Wellenlänge«.
Rauswurf war vorbereitet
In der SPD hatte man sich empört geäußert, aber auch versucht, den Konflikt im Kreisverband zu lösen. Weil Püschel aber störrisch blieb, hatte die Schiedskommission Anfang der Woche die Vorbereitungen für einen Rauswurf eingeleitet. Das Maß sei voll, sagte der Kreischef und Innen-Staatssekretär Rüdiger Erben; Püschel habe »nicht einfach eine andere Meinung«, sondern »macht offen Werbung für eine rechtsextreme Partei«. Als dieser daraufhin von sich aus das SPD-Parteibuch hinwarf, trug ihm NPD-Landeschef Matthias Heyder persönlich die Kandidatur an.
Für die NPD ist die Abwerbung, die ein NPD-kritischer Blog mit der Schlagzeile »Genosse wird Volksgenosse« kommentierte, zweifellos ein Coup. Zum einen kann die Partei, die sich selbst gern als in der Mitte der Gesellschaft verankert darstellt, einen honorigen, in der Region bislang anerkannten Kandidaten vorweisen; zum anderen präsentiert sie diesen als eine Art Märtyrer, der vom »System« wegen seiner kritischen Äußerungen verstoßen wurde. Von einer »Hetzjagd auf Hans Püschel« ist auf NPD-nahen Seiten die Rede.
Träume von der »Achse«
Dieses Muster ist bekannt: Als Opfer einer »Hetzjagd« wird auch Lutz Battke dargestellt, der für die NPD im Kreistag des Burgenlandkreises sitzt und ebenfalls als Direktkandidat für den Landtag ins Rennen geht. Wegen seiner rechtsextremen Aktivitäten versucht das Land, Battke die Zulassung als Bezirksschornsteinfegermeister aberkennen zu lassen; zudem feuerte ihn der Sportverein BSC 99 in seinem Heimatort Laucha nach großem öffentlichem Druck als Jugendtrainer einer Fußballmannschaft. Die Opferrolle scheint für Wählerzuspruch zu sorgen: Nachdem er bei der Kommunalwahl 2009 der NPD bereits zu einem Ergebnis von 13,5 Prozent verhalf, kam er im November bei der Bürgermeisterwahl auf satte 24 Prozent – bei einer hohen Wahlbeteiligung von 68 Prozent.
Dass sie nun mit Püschel erneut auf diese Karte setzen kann, ist eine weitere gute Nachricht für die NPD, die den Einzug in einen dritten Landtag nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu ihrem wichtigsten Ziel für das Superwahljahr 2011 erklärte und von einer »Achse Dresden-Magdeburg-Schwerin« träumt. Ob es dazu kommt, halten Experten für offen; in einer Umfrage im Herbst soll die NPD, deren Ergebnis jedoch nicht gesondert ausgewiesen wurde, bei vier Prozent gelegen haben. Deren Parteistrategen verzeichneten zuletzt indes mehrere positive Botschaften. So soll das Spendenkonto für den Wahlkampf mit 35 000 von angepeilten 60 000 Euro gefüllt sein. Mit klammheimlicher Freude dürfte man zudem registriert haben, dass im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung entschieden wurde, vor der Wahl keinen »Wahlomat« im Internet freizuschalten – aus Sorge vor allzu viel Zuspruch für die NPD. Politiker wie der Grüne Sebastian Striegel warnen nun zu Vorsicht und abgestimmtem Vorgehen. Man müsse aufpassen, die »vor sich hin dümpelnde NPD nicht kurzfristig stark werden zu lassen«.
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